Pasażerka

R: Andrzej Munk, Witold Lesiewicz
62 min, OmdU
B: Zofia Posmysz, Andrzej Munk
K: Krzysztof Winiewicz
S: Zofia Dwornik
M: Tadeusz Baird
D: Aleksandra Śląska, Anna Ciepielewska, Jan Kreczmar, Marek Walczewski u. a.

 

In den frühen Sechzigerjahren fahren Walter und Lisa mit einem Ozeandampfer aus den USA nach Europa. Unterwegs entdeckt Lisa eine Frau, die plötzlich Erinnerungen heraufbeschwört und sie ihrem Begleiter vom Krieg erzählen lässt – von ihrer Zeit als KZ-Aufseherin in Auschwitz, von einer Polin namens Marta und davon, wie sie diese vor dem Tod bewahrt habe. Es folgt eine zweite Rückblende, welche die Geschichte aus einer anderen Perspektive erzählt und sie in anderem Licht erscheinen lässt.

 

Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht neben dem psychologischen Machtkampf zwischen Gefangener und Aufseherin vor allem die Rechtfertigungsstrategie der Täterin. Um sie herum passieren pausenlos schreckliche Verbrechen, während sie stets bestrebt ist, ihre eigene Unschuld – auch sich selbst gegenüber – zu beteuern und zu erklären, dass sie im Rahmen der Möglichkeiten korrekt gehandelt habe. Damit steht sie stellvertretend für eine ganze Generation von Täter*innen und Mitläufer*innen, die mit ihrer Schuld leben müssen.

 

Dieser Film – basierend auf einem Roman von Zofia Posmysz, den auch Mieczysław Weinberg als Opernstoff verwendete – ist ein Torso. Der noch nicht einmal 40-jährige, aber schon international gefeierte Regisseur starb mitten in den Dreharbeiten bei einem Autounfall. Keiner seiner Kollegen wollte das Projekt beenden, aber man beschloss, unter der Leitung von Witold Lesiewicz aus bereits gedrehten Fragmenten, Standbildern und einem Off-Text von Wiktor Woroszylski zumindest ein Skelett zu formen, welches Munks Intentionen erahnen lässt. Das Ergebnis ist mehr als ein Hilfskonstrukt, denn es wurde u. a. in Cannes und Venedig ausgezeichnet. Jean-Luc Godard bezeichnete den Film „Die Passagierin“ dank dessen Versehrtheit sogar als besten Kriegsfilm. [Rainer Mende]

 

Der Regisseur Andrzej Munk (1921–1961), Überlebender des Warschauer Aufstands mit jüdischen Wurzeln, galt zu Lebzeiten neben Andrzej Wajda als einer der wichtigsten polnischen Regisseure. Seine im In- und Ausland mit Preisen dekorierten Spielfilme wie „Eroica“ (1957), „Człowiek na torze“ (1956) oder „Zezowate szczęście“ (1960) zählen zum Kanon des polnischen Films. Darüber hinaus drehte er vor allem in den frühen Fünfzigerjahren Dokumentarfilme und arbeitete immer wieder für das Fernsehen. Heute sind u. a. ein Filmstudio und ein Nachwuchs-Preis nach ihm benannt. 

 

Der Historiker Andreas Mix arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Stiftung Topographie des Terrors. Er ist Kurator historischer Ausstellungen und veröffentlichte Publikationen zur Geschichte und Nachgeschichte des Nationalsozialismus sowie zu den deutsch-polnischen Beziehungen.

Die Filmwissenschaftlerin und -journalistin sowie freie Autorin Dr. Sonja M. Schultz hat sich auf filmische und literarische Geschichtsbilder spezialisiert. Sie promovierte 2012 mit der Arbeit „Der Nationalsozialismus im Film. Von ‚Triumph des Willens‘ bis ‚Inglourious Basterds‘ und publizierte in verschiedenen Sammelbänden. 2019 erschien ihr erster Roman „Hundesohn“ im Schweizer Kampa Verlag.

 

Für die Vorführung des Films im Rahmen von filmPOLSKA 2022 wurden neue deutsche Untertitel produziert. Die Vorführung in Kooperation mit der Topographie des Terrors wird unterstützt vom Studio für Spiel- und Dokumentarfilme (Wytwórnia Filmów Dokumentalnych i Fabularnych / WFDiF, 35mm.online).

 

24.06. / 19:00 / Topographie des Terrors / zu Gast: Andreas Mix & Sonja M. Schultz / Moderation: Ulrich Tempel

Year 1963
Duration 01:02:00
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