Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm


Im Rahmen der Eröffnung der 20. Ausgabe von filmPOLSKA wird dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm DOK Leipzig für seine Verdienste um die Verbreitung des polnischen Filmschaffens in Deutschland der diesjährige filmPOLSKA Award verliehen.

© Leipziger Dok-Filmwochen GmbH


Seit 1955 bietet das Leipziger Festival eine Plattform für die Entstehung, Vorführung und Diskussion von dokumentarischen Filmformaten. Nur geringfügig kürzer – seit den 1970er-Jahren – ist das Polnische Institut Kooperationspartner und Spielstätte, in der auch Pressekonferenzen, Meisterklassen, Workshops und Empfänge stattfinden.

Von Anfang an war DOK Leipzig politisch geprägt und gilt als Festival mit Haltung. Nicht zufällig tauchte 1962 Picassos Friedenstaube im Logo auf und flattert seitdem in verschiedenen Formen durch die Programmhefte, Plakate und Trailer. Sie signalisiert, dass sich das Festival als Ort der Begegnung versteht – nicht der Konfrontation, sondern des Austauschs, des Zuhörens und -sehens, des Dialogs. Insbesondere begriff es sich schon früh als Drehkreuz auf der Ost-West-Achse. Die „traditionelle Verbundenheit mit Mittel- und Osteuropa“ wird sogar im kurzen Selbstporträt auf der Festival-Homepage explizit betont. Dass Polen dabei mit im Fokus steht, zeigte bereits 1968 die Retrospektive „Dokumentarfilm in Polen“. Dieses Profil wurde nach den Wirren der Transformationszeit beibehalten und geschärft. Seit der Gründung von filmPOLSKA 2005 haben unter der Leitung von Claas Danielsen, Leena Pasanen und Christoph Terhechte Filme und Filmschaffende aus Polen hier immer wieder eine Plattform gefunden.

Die „Dokwoche“, wie sie in Leipzig liebevoll genannt wird, ist längst keine reine Dokwoche mehr. Seit 1995 hat der schon vorher präsente Animationsfilm seinen eigenen Wettbewerb und bringt das explizit Fiktionale ins Programm. Seit einiger Zeit facht Animadok als Genre-Zwitter Debatten um Wahrheit und Wahrhaftigkeit an und als jüngstes filmisches Phänomen loten XR-Arbeiten das Spannungsfeld zwischen Realitätsdarstellung und künstlerischer Äußerung aus.

Seit der Gründung des Fachprogramms DOK Industry 2004 ist DOK Leipzig zu einem wichtigen Ort zur Entwicklung von internationalen Produktionen geworden. Nicht zufällig taucht das DOK-Logo immer häufiger im Abspann polnischer Filme auf. Partnerschaften mit der Krakow Film Foundation, Millenium Docs Against Gravity oder der Wajda Film School schaffen und untermauern diesen Austausch.

Große Teile der Vernetzungsarbeit finden im Verborgenen statt. Aber DOK Leipzig schafft damit Sichtbares für ein breites Publikum – in den Wettbewerben, aber auch in sorgsam kuratierten Begleitprogrammen. Denken wir nur an unvergessene Programmpunkte wie die Władysław-Starewicz-Retrospektive „Käfer sind auch nur Menschen“ und das Programm „Lass die Puppen tanzen! Polnische Puppenanimation nach 1945“ (2012), die Dok-Retrospektive „Sieben Sünden und andere Bekenntnisse im polnischen Dokumentarfilm“ (2016), Werkschauen mit Meisterklassen von Mariola Brillowska („Thinking Out of the Box“ 2012) und Witold Giersz („Farben im Galopp“ 2015) oder das Hop-On-Hop-Off-Programm „5×5. Shorts from the East“ (seit 2022).

Diverse Filmemacher*innen aus Polen fuhren mit einer Goldenen Taube, dem Hauptpreis des Festivals, im Gepäck nach Hause – für die Langfilme „Fabryka Wódki / Vodka Factory“ von Jerzy Śladkowski (2010) und „Bracia / Brothers“ von Wojciech Staroń (2015) wie für die kurzen Dokumentarfilme „Kawałek lata / Piece of Summer“ von Marta Minorowicz (2010) und „Więzi / Close Ties“ von Zofia Kowalewska (2016). In den letzten Jahren haben wir einen wahren Siegeszug des polnischen Animationsfilms erlebt, mit Hauptpreisen für „Jestem tutaj / I’m Here“ von Julia Orlik (2020), „Figury niemożliwe i inne historie I / Impossible Figures and Other Stories I“ von Marta Pajek (2021), „Koniunkcja / Misaligned“ von Marta Magnuska (2022), und „Takie cuda się zdarzają / Such Miracles Do Happen“ von Barbara Rupik (2023). Sogar dem Deutschen Wettbewerb haben Pol*innen als Preisträger*innen ihren Stempel aufgedrückt, beispielsweise Elwira Niewiera & Piotr Rosołowski mit „Efekt domina / Domino Effekt“ (2014) und Filip Jacobson mit „Lekcja patriotyzmu / Patriotic Lesson“ (2016).

Polnische Branchenvertreter*innen in den Fachjurys, ausufernd lange Q&As nach Vorführungen mit den Urheber*innen, Filme aus Polen im Rahmen der Eröffnungsabende (beispielsweise „Dokument / A Documentary Film“ von Marcin Podolec 2015 und „Vika!“ von Agnieszka Zwiefka 2024) sowie Publikumsrekorde bei zukünftigen Klassikern wie „Chemia / Chemo“ (2009) und „Film balkonowy / Balcony Movie“ (2021) von Paweł Łoziński unterstreichen es: DOK Leipzig war, ist und bleibt als Entwicklungslabor, Startrampe und Echokammer für den polnischen Dokumentar- und Animationsfilm von herausragender Bedeutung. [Rainer Mende]


 

Der filmPOLSKA Award wird jedes Jahr Personen und Institutionen verliehen, die sich um die Verbreitung des polnischen Filmschaffens in Deutschland verdient gemacht haben. Zu den bisherigen Preisträger*innen gehören u. a. goEAST, das Neiße Filmfestival, das Nipkow-Programm, Coco Spezial, Jan Schulz-Ojala, Knut Elstermann, Erika & Ulrich Gregor, Margarete Wach, Artur Brauner, Antoni Komasa-Łazarkiewicz und Mary Komasa