Unter dem Titel das flüchtige weitergeben, die 13. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst versammelt mehr als 60 Künstler*innen und zeigt über 170 Arbeiten, die an vier Ausstellungsorten Fenster in eine Reihe geografischer Zusammenhänge eröffnen: in den KW Institute for Contemporary Art, den Sophiensælen, im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart und in einem ehemaligen Gerichtsgebäude in der Lehrter Straße in Berlin-Moabit.
Die Kuratorin der 13. Berlin Biennale, Zasha Colah, spielt mit dem Titel der Ausstellung auf die Fähigkeit der Kunst an, im Angesicht legislativer Gewalt in Unrechtssystemen ihre eigenen Gesetze zu definieren, und auch unter Bedingungen von Verfolgung und Militarisierung Zeichen zu setzen – Botschaften zu senden, die Weitergegeben werden können. das flüchtige weitergeben kann als Aufruf verstanden werden: Besucher*innen sind eingeladen, mit diesen kulturellen Beweisstücken nun ihrerseits flüchtig zu werden, ihren Inhalt von Mund zu Mund zu verbreiten, bis dieser sich materialisieren kann. Die Ausstellung geht von dem unvorhersehbaren Moment aus, in dem ein Akt individueller Vorstellungskraft zu einem kollektiven werden kann.
Im Rahmen des Biennale-Programms werden im KW Institute for Contemporary Art Arbeiten der polnischen Künstler*innengruppe Akademia Ruchu präsentiert.
Die Akademia Ruchu („Bewegungsakademie“) entstand in den 1970er Jahren in Warschau und entwickelte sich zu einer der einflussreichsten transdisziplinären Formationen im Bereich Performance, Theater und politischer Kunst in Polen. Unter der Leitung von Wojciech Krukowski verband die Gruppe Elemente des Verhaltens- und absurden Theaters mit zivilgesellschaftlichem Engagement und nutzte gezielt den öffentlichen Raum als Bühne. Die gezeigten Werke – Fotografien und ein Video– stammen aus den 1970er und 1980er Jahren, als Akademia Ruchu durch performative Aktionen im Geist des sozialen Widerstands auf sich aufmerksam machte.
Ein zentrales Beispiel ist die Aktion „Potknięcie“, bei der Mitglieder* von Akademia Ruchu vor einem Publikum aus ahnungslosen Passant*innen wiederholt ins Stolpern gerieten. Aufmerksame Beobachter*innen bemerkten, dass sich die Aktion vor dem damaligen Hauptquartier der Kommunistischen Partei abspielte – eine subtile, aber wirkungsvolle
Geste des zivilen Ungehorsams. Ein Jahr vor Verhängung des Kriegsrechts, führten Mitglieder* von Akademia Ruchu die Aktion Sprawiedliwość jest ostoją mocy i trwałości Rzeczypospolitej durch, für die sie ein Banner mit der titelgebenden Inschrift des Justizpalasts hochhielten – als Zeichen für eine stille Kundgebung zur Unterstützung der Unabhängigen selbstverwalteten Gewerkschaft „Solidarität“ (NSZZ „Solidarność“). Die Fotos, die diese Aktion dokumentieren, sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.
Tickets & Mehr: https://13.berlinbiennale.de/de
Akademia Ruchu, Potknięcie [The Stumble], 1977, video still © Akademia Ruchu