Das Leitmotiv der diesjährigen, zweiten Ausgabe des Festivals der polnischen Performancekunst „(nicht) anwesend” bezieht sich auf den Titel eines Werkes der zeitgenössischen Künstlerin Jenny Holzer, die den Text zum zentralen Element ihres künstlerischen Schaffens gemacht hat. In ihrer Arbeit Protect Me from What I Want (1982) thematisiert sie den inneren Konflikt zwischen menschlichen Begehren und den gesellschaftlich auferlegten Narrativen.

Sprache ist ein Werkzeug, mit dem wir die Welt gestalten – sie kann sie aber ebenso zerstören. Michel Foucault und Theodor W. Adorno wiesen darauf hin, dass Wissen und die Sprache, die es schafft, untrennbar mit Macht und Herrschaft verknüpft sind. Worte besitzen enorme Kraft: Sie formen Gedanken, Gefühle und Handlungen, doch ihre ambivalente Natur kann auch gefährlich sein. In der heutigen, von Medien und Propaganda dominierten Welt fungiert Sprache nicht allein als Kommunikationsmittel, sondern auch als Werkzeug der Manipulation, was oft zu Desinformation führt. Behörden und Institutionen nutzen Worte, um Narrative zu schaffen, die die Wahrheit verzerren und die Wahrnehmung verändern – mit Folgen wie Leiden der direkt Betroffenen, Gewalt, autoritären Strukturen oder unmenschlicher Behandlung.

Ludwig Wittgenstein hat 1921 geschrieben: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt”. Sprache eröffnet uns die Möglichkeit, die Welt zu verstehen und zu beschreiben – sie ist jedoch zugleich ein begrenztes Werkzeug. Sie kann unsere Fähigkeit begrenzen, Gedanken klar zu formulieren und andere wirklich zu verstehen. Die Sprache des Internets im digitalen Zeitalter neigt dazu, Gedanken zu vereinfachen, was Stereotype und Vorurteile hervorruft. Emotionale Unterdrückung, der Verlust von Kontext und mangelnde Empathie mindern die Qualität unserer direkten Begegnungen. Anonymität und die Einschränkungen moderner Kommunikation tragen zu Gewalt, Entfremdung und Isolation bei.

Das diesjährige Festivalprogramm konzentriert sich auf eine kritische Analyse der Sprache und lädt das Publikum ein, über die politische und gesellschaftliche Verantwortung von Worten nachzudenken. Jeder Satz und jede Formulierung besitzt die Kraft, das kollektive Bewusstsein zu formen, und ihr missbräuchlicher Einsatz kann ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen. Die Begriffe, die wir verwenden, sind nicht nur Werkzeuge – sie spiegeln lebendig unsere Ängste, Wünsche und Hoffnungen wider. In diesem Sinne sollen die während des Festivals gezeigten Aktionen als Appell verstanden werden – für einen bewussten Umgang mit Sprache und für die Reflexion über die Folgen unserer Kommunikation in einer Welt, in der Worte sowohl Ausdrucks- als auch Manipulationsmittel bilden. Gleichzeitig möchten wir daran erinnern, wie wichtig eine bewusste Teilnahme an Dialogen ist, in denen jede*r von uns eine einzigartige Rolle spielt.

Authentischer Dialog ermöglicht es uns, den Weg zu effektiver Kommunikation zu öffnen und Brücken zu bauen, die Chaos und Missverständnisse überwinden. Lernen wir daher, nicht nur Worte, sondern auch das Schweigen aufmerksam wahrzunehmen, zu interpretieren und zu verstehen.

Festival der polnischen Performancekunst „(nicht) anwesend“
Protect Me from What I Want

Kuratorin: Agnieszka Chodysz-Foryś

24–25.10.2025
FLUTGRABEN e. V.
Am Flutgraben 3
12435 Berlin, Deutschland

Künstler*innen: Krzysztof Leon Dziemaszkiewicz, Anna Kalwajtys, Aleksandra Kubiak, Magdalena Mellin, Joanna Pawlik, Anna Steller, Tomasz Szrama, Monika Wińczyk, Ewa Zarzycka, Marta Ziółek

Podiumsdiskussion „Protect me from what I want”.

Vorführung von Archivmaterialien der polnischen Performancekunst aus dem Archiv des Museums für Moderne Kunst (MSN).

Projektkoordination: Marharyta Rubanenko
Visuelle Identität: @grupaprojektor

Veranstalter:
Culture and Art Centre in Wroclaw – Cultural Institution of the Government of the Lower Silesian Region
www.okis.pl

In Zusammenarbeit mit:
FLUTGRABEN e. V.
https://flutgraben.org

Projektpartner:
Polish Institute in Berlin
Burgstraße 27
10178 Berlin, Deutschland
instytutpolski.pl/berlin

Schirmherrschaften:
Marta Cienkowska – Ministerin für Kultur und Nationales Erbe 
Paweł Gancarz – Marschall der Woiwodschaft Niederschlesien

Gefördert durch Mittel des Ministers für Kultur und nationales Erbe (Kulturförderfonds) sowie aus dem Haushalt der Woiwodschaft Niederschlesien.