20.04.2023, 18:00, Berlin / fsk Kino
Bukolika
Dokumentarfilm, R: Karol Pałka, 70 min, OmeU
Das baufällige Haus, in dem Danusia und ihre Tochter Basia leben, scheint nicht nur in einer anderen Welt zu stehen, sondern auch in einer anderen Zeit. Die funkelnden Neubauten der Hochhäuser sind Lichtjahre entfernt von diesem Ort, von dem es selbst bis zum nächsten Dorf ein langer Weg ist – und der doch voller Leben steckt. Denn Unmengen von Tieren und Geistern bevölkern das Gehöft und zwei Personen bieten schon ausreichend Konfliktpotenzial.
Während die Mutter in einer Zeitschleife gefangen scheint, holt die Tochter subtil die Neuzeit ins Haus, die sogar Mobilnetz hat. So spiegelt sich in diesem Mikrokosmos das ganze Leben mit seinen alltäglichen Reibereien, kleinen Ausbrüchen und grundlegenden Entscheidungen: aufbegehren oder aufgeben, widersprechen oder schweigen, gehen oder bleiben?
Die Kamera ist den Protagonistinnen unendlich nah, der Schnitt präzise und unaufgeregt. Im Zusammenspiel mit den dröhnenden Ethno-Sounds der ukrainischen Band DakhaBrakha entwickeln die ruhigen, stimmigen Bilder in diesem „Hirtengedicht“ einen hypnotischen Sog, der nur im abgedunkelten Kinosaal mit aufgedrehten Lautsprechern seine volle Wirkung entfaltet.
Der Fotograf Karol Pałka (geb. 1991) hat in Katowice und Warschau studiert. Mit seinem dritten Dokumentarfilm „Bukolika“ gewann er u. a. die Silberne Taube bei DOK Leipzig 2021.
B/K: Karol Pałka
S: Katarzyna Boniecka
M: We Will Fail
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17.05.2023, 18:00, Berlin / fsk Kino
Wszystkie nasze strachy / Alle unsere Ängste
Drama, R: Łukasz Ronduda & Łukasz Gutt, PL 2021, 94 min, Omdu
In Daniel Rycharski scheinen zwei Welten aufeinander zu prallen. Einerseits sind seine Aktionen und Installationen fester Bestandteil der urbanen Kunstszene, wo auch sein Bekenntnis zur Homosexualität kein großes Thema ist. Andererseits lebt er nach wie vor in der erzkonservativen Provinz, wo er sich nicht nur als Teil der Dorfgemeinschaft versteht, sondern auch als engagiertes Mitglied der volksfrommen Kirchengemeinde. Kunst und Gesellschaft sind für ihn untrennbar miteinander verbunden, doch mit seinen Skulpturen und Happenings eckt er bei den unmittelbaren Nachbarn massiv an – vor allem, wenn er darin die Ausgrenzung von LGBT-Personen thematisiert.
Ronduda erweist sich erneut als Meister darin, die soziale Relevanz von Kunst verständlich zu bebildern. In seinem trotz des theoretischen Unterbaus empathischen, bisweilen zu Tränen rührenden Drama gelingt ihm ein seltenes Kunststück: Er verweist nicht nur auf gesellschaftliche Gräben, sondern schlägt auch Brücken darüber und zeigt, wie scheinbar unversöhnliche politische Lager miteinander in Dialog treten können. Und das nicht nur in der Theorie: Rycharski gibt es wirklich.
Łukasz Ronduda (geb. 1976) ist Regisseur, Drehbuchautor und Kurator des Museums für Zeitgenössische Kunst in Warschau. In seinen drei Spielfilmen „Performer“ (2015), „Serce miłosći“ (2017) und „Wszystkie nasze strachy“ verbindet er Kunst, Künstlerporträts und dramatische Geschichte zu einem Gesamtkunstwerk mit ganz eigener Handschrift.
Der Kameramann Łukasz Gutt (geb. 1980) hat ein Studium an der Schlesischen Universität Katowice absolviert. Er stand seit 2005 für zahlreiche Dokumentar- und Spielfilme sowie Serien- und TV-Produktionen hinter der Kamera, darunter alle Spielfilme von Łukasz Ronduda. Als Regisseur debütierte er 2010 mit dem Dokumentarfilm „Odyseja złomowa“. „Wszystkie nasze strachy“ ist sein Langspielfilm-Debüt.
B: Łukasz Ronduda, Michał Oleszczyk, Katarzyna Sarnowska
K: Łukasz Gutt
S: Przemysław Chruścielewski, Kamil Grzybowski
M: Igor Kłaczyński, Marcin Lenarczyk, Bartosz Łupiński
D: Dawid Ogrodnik, Maria Maj, Andrzej Chyra, Oskar Rybaczek, Jacek Poniedziałek, Agata Łabno, Jowita Budnik, Ewa Konstancja Bułhak u. a.
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21.06.2023, 18:00, Berlin / fsk Kino
Erotica 2022
Episodenfilm, R: Anna Kazejak, Anna Jadowska, Kasia Adamik, Jagoda Szelc, Olga Chajdas / 137 min, OmeU
Eine Frau erstickt in einer Welt mit strikt getrennten Geschlechtern an ihrer Ehe mit einem untreuen Mann. Eine zweite wird aus einem havarierten Zug evakuiert und nähert sich illegal einem jungen Mann an. Eine dritte übt mit einem Roboterkind für die Elternschaft und wartet sehnsüchtig auf die Genehmigung dafür. Eine vierte kann in einer postapokalyptischen Betonwelt nur noch betrunken Sex haben. Eine fünfte versammelt Leidensgenossinnen um sich und begibt sich auf einen Rachefeldzug an der Männerwelt.
In fünf Episoden entwerfen Regisseurinnen nach Drehbüchern namhafter Schriftstellerinnen – unter ihnen die Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk und Bestseller-Autorin Joanna Bator – dystopische Visionen über eine nicht allzu fern liegende Zukunft. Im Speziellen beschäftigen sie sich mit der Rolle der Frauen. Bereitet gesellschaftlicher Fortschritt den Weg zur Emanzipation? Bleibt in einer von Technik dominierten Welt Platz für Gefühle?
Folgt man den Autorinnen, ist die Zukunft wenig verheißungsvoll. Missstände werden nicht beseitigt, sondern eher noch verstärkt, soziale Ungleichheiten manifestiert, Freiheit und Individualität bleiben auf der Strecke. Für Gefühle, Sinnlichkeit und Erfüllung bleibt in der kalten, düsteren Realität kein Platz.
Die Regisseurin und Drehbuchautorin Anna Jadowska (geb. 1973) hat Polonistik in Wrocław sowie Regie an der Filmhochschule Łódź studiert. Nach einigen Kurzfilmen debütierte sie 2003 mit ihrem Spielfilm „Dotknij mnie“. Es folgten zahlreiche Episoden von TV-Serien sowie Spiel- und Dokumentarfilme, darunter das international mit Preisen überhäufte Drama „Dzikie róże“ (2017).
Die Regisseurinnen Kasia Adamik (geb. 1972, u. a. „Boisko bezdomnych“ 2018), Anna Kazejak (geb. 1979, u. a. „Obietnica“ 2014), Olga Chajdas (geb. 1983, u. a. „Nina“ 2018) und Jagoda Szelc (geb. 1984, u. a. „Wieża. Jasny dzień“ 2017) gehören zur jüngeren und jüngsten Generation von Regisseurinnen, welche die polnische Filmszene immer stärker prägen.
B: Anna Kazejak, Olga Tokarczuk, Anna Jadowska, Grażyna Plebanek, Kasia Adamik, Joanna Bator, Jagoda Szelc, Ilona Witkowska, Gaja Grzegorzewska
K: Ita Zbroniec-Zajt, Małgorzata Szyłak, Jacqueline Sobiszewski, Przemysław Brynkiewicz, Rafał Paradowski
S: Maciej Pawliński, Anna Koc-Wittels, Kasia Adamik, Anna Garncarczyk
M: Joanna Duda
D: Agata Buzek, Monika Pikuła, Agnieszka Żulewska, Sara Celler-Jezierska, Małgorzata Bela u. a.
Veranstalter: Polnisches Institut Berlin in Kooperation mit dem fsk Kino
Info: https://fsk-kino.peripherfilm.de
Ort: fsk Kino, Segitzdamm 2, 10969 Berlin