In einer Zeit, in der sich die Ereignisse überschlagen, sind Entscheidungen gefordert. Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Welcher Weg ist der richtige? Lassen wir dabei niemanden zurück? Die Filme im filmPOLSKA-Panorama zeigen Situationen, in denen sich wortwörtlich oder im übertragenen Sinne Wege gabeln – sie eröffnen Möglichkeiten, zwingen aber auch zur Positionsbestimmung und zu Entschlüssen, die man vielleicht später bereut. Oder hatte man möglicherweise nie eine Wahl?

Die Filme:

Biała odwaga / White Courage von Marcin Koszałka
Cisza nocna / Night Silence von Bartosz M. Kowalski
Ostatnia wyprawa / The Last Expedition – Was geschah mit Wanda Rutkiewicz? von Eliza Kubarska
Pociągi / Trains von Maciej Drygas
Pod szarym niebem / Under The Grey Sky von Mara Tamkovich
Utrata równowagi / Loss Of Balance von Korek Bojanowski

 


 

Biała odwaga / White Courage


PL 2024
R/K: Marcin Koszałka
111 min, OmeU
B: Łukasz M. Maciejewski & Marcin Koszałka
S: Agnieszka Glińska
M: Jacek Grudzień
D: Filip Pławiak, Julian Świeżewski, Jakub Gierszał, Sandra Drzymalska, Wiktoria Gorodeckaja, Andrzej Konopka u. a.

Zakopane in den Dreißigerjahren, hier lebt das stolze Volk der Góralen: Im südpolnischen Hochgebirge spricht man seine eigene Sprache, pflegt seine alpinen Traditionen und hält Abstand zu anderen Völkern – auch zu Polen. Hier finden zwei Familien zueinander, die durch strategische Heirat ihre Situation verbessern wollen. Aber wie so oft sind Liebe und Heirat zwei verschiedene Dinge – der ältere, besonnene Maciek soll die schöne Bronka heiraten, obwohl sie ein Verhältnis mit seinem jüngeren, ungestümen Bruder Jędrek hat und sogar ein Kind von ihm erwartet.

Koszałka beschränkt sich nicht auf ein folkloristisches Kammerspiel um Liebe und Gehorsam. Vielmehr entwickelt er die Geschichte über einen längeren Zeitraum und verleiht ihr damit auch eine politische Dimension. Denn 1939 marschiert die deutsche Wehrmacht in der Hohen Tatra ein und die Góralen müssen sich entscheiden – kollaborieren sie und sichern ihren Wohlstand oder bleiben sie rebellisch und riskieren damit ihr Leben?

Anhand der Parallelgeschichte zweier Brüder erzählt Koszałka mit imponierenden Bildern sowie einem guten Gespür für Timing und Figuren ein Stück polnisch-polnische Geschichte. Dabei behandelt er universelle Themen, die unabhängig von Ort und Zeit von Bedeutung sind. [Rainer Mende]

Marcin Koszałka (geb. 1970) arbeitete nach einem Studium in Katowice zunächst als Kameramann. Seit 1999 drehte er – mitunter kontroverse – Dokumentarfilme, bevor er 2015 mit „The Red Spider“ seinen ersten Spielfilm veröffentlichte. „White Courage“ gewann beim Filmfestival in Gdynia den Preis für die beste Regie.

12.09. / 19:30 / City-Kino Wedding / zu Gast: Marcin Koszałka / Ticket-Link
13.09. / 20:00 / Klick Kino / zu Gast: Marcin Koszałka / Ticket-Link
14.09. / 16:00 / Sputnik / zu Gast: Marcin Koszałka / Ticket-Link

 

Biała odwaga / White Courage

 


 

Cisza nocna / Night Silence


PL 2024
R: Bartosz M. Kowalski
87 min, OmeU
B: Bartosz M. Kowalski, Mirella Zaradkiewicz & Paweł Maślona
K: Cezary Stolecki
S: Magdalena Chowańska
M: Jimek (Radzimir Dębski)
D: Maciej Damięcki, Zdzisław Wardejn, Włodzimierz Press, Anna Nehrebecka u. a.

Das junge Paar hat mit der anstehenden Geburt und einer Renovierung alle Hände voll zu tun. Deshalb muss Opa Lucjan – ein pensionierter Schauspieler – ins Seniorenheim. Das ist ein eigentlich recht idyllischer Altbau in ruhiger Lage mit netten Mitbewohner*innen und fürsorglichem Personal. Lucjan bemüht sich auch sehr, in seiner neuen Umgebung Fuß zu fassen. Doch hat er hier immer wieder Albträume – oder sind es Visionen?

Die zahlreichen Spuren, denen er daraufhin folgt, führen in den Keller des Hauses. Dort scheint eine dunkle Macht zu hausen. Und auch das Wasserbecken vor dem Gebäude birgt vielleicht ein dunkles Geheimnis. Als immer mehr Mitbewohner*innen, die Lucjan in seinen Träumen gesehen hat, auf mysteriöse Weise ums Leben kommen, beschließt er, sich dem finsteren Unwesen zu stellen.

Der beliebte Film-, Theater- und TV-Schauspieler Maciej Damięcki bekommt in diesem Genrefilm noch einmal die große Bühne – tragischerweise zum letzten Mal, denn kurz nach den Dreharbeiten verstarb er. Damit erhält der Gruselthriller über die Angst vor dem Tod und die Macht der Liebe noch einen zusätzlichen morbiden Twist. [Rainer Mende]

11.09. / 19:30 / City-Kino Wedding / Ticket-Link
16.09. / 20:00 / Sputnik / Ticket-Link

 

Cisza nocna / Night Silence

 

 


 

Ostatnia wyprawa / The Last Expedition – Was geschah mit Wanda Rutkiewicz?


PL/CH/NP/IN/ITA/AUT 2024
R/B: Eliza Kubarska
80 min, OmdU
K: Piotr Rosołowski, Marcin Sauter & Małgorzata Szyłak
S: Bartosz Pietras
M: Marcel Vaid

„So, wie ich sie kennengelernt habe, glaube ich nicht, dass sie tot ist. Ich denke, sie hat sich irgendwo versteckt.“ Das sagt ein Sherpa über die 1943 geborene legendäre polnische Bergsteigerin Wanda Rutkiewicz, die 1992 am nepalesischen Kangchendzönga – dem dritthöchsten Berg der Welt – verschollen ist. Bis heute wurde Rutkiewicz nicht gefunden, weshalb die versierte Berg-Filmerin Eliza Kubarska ihrer Spur folgt – im geografischen wie im biografischen Sinne.

Anhand von Originalaufnahmen, Tagebuchaufzeichnungen, Berichten von Weggefährt*innen und Besuchen an Orten, wo sich Rutkowska aufhielt, entwirft Kubarska das vielschichtige Porträt einer Frau, die nicht nur Freunde hatte. Denn die Alpinistin war (oder ist?) in ihrer Darstellung nicht nur eine erfolgreiche Extremsportlerin, sondern auch eine emanzipierte Frau in patriarchalen Strukturen, ein Marketing-Talent, eine komplexe Persönlichkeit mit Stärken und Schwächen sowie eine Einzelgängerin in einer Szene, die in lebensbedrohlichen Situationen auf Kooperation und Vertrauen angewiesen ist.

Aus dem umfangreichen Material hätte die Regisseurin leicht eine unreflektierte Heldinnengeschichte stricken können. Aber Kubarska widersteht der Versuchung und setzt ein biografisches Mosaik zusammen, das kritische Distanz zu seiner Protagonistin hält, umwerfende Bilder liefert und Raum für eigene Interpretationen lässt. [Rainer Mende]

11.09. / 20:00 / Sputnik / Ticket-Link
15.09. / 20:00 / Klick Kino / Ticket-Link
16.09. / 19:30 / City-Kino Wedding / Ticket-Link

 

Ostatnia wyprawa / The Last Expedition – Was geschah mit Wanda Rutkiewicz?

 

 


 

Pociągi / Trains


PL/LT 2024
R/B: Maciej Drygas
80 min, oT
S: Rafał Listopad
M: Paweł Szymański

Hitze und Unmengen von Stahl in einer großen Werkhalle. Eine schwere Dampflok wird zusammengesetzt und auf die Schienen gestellt. Waggons werden angekoppelt, der Zug wird erst gezogen, setzt sich dann selbst in Bewegung, nimmt Fahrt auf und die Reise beginnt – eine Reise durch die Geschichte der Eisenbahn, des Films und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

In seiner exzellent montierten Found-Footage-Sinfonie, die ohne gesprochene Worte auskommt, reiht Drygas Aufnahmen aus ganz Europa wie Waggons chronologisch aneinander. Im Zusammenspiel mit der kongenialen Begleitmusik (meisterhaft abgemischt von Saulius Urbanavičius) erzählt er eine Geschichte, die von Aufbruchsgeist und Fortschritt kündet – und davon, wie die Entwicklung immer wieder in bewaffnete Konflikte mündet, an denen die Eisenbahn in verschiedenen Rollen entscheidenden Anteil hat.

Wie bei einer Bahnfahrt wird die Geschwindigkeit gesteigert und gedrosselt, wir blicken auf Landschaften links und rechts, begrüßen und verabschieden Mitreisende und kehren doch immer wieder zum Leitmotiv des endlosen Schienenstrangs zurück. [Rainer Mende]

Der Regisseur und Produzent Maciej Drygas (geb. 1956 in Łódź) war Assistent von Krzysztof Zanussi und Krzysztof Kieślowski, dann drehte er selbst international preisgekrönte Dokumentarfilme wie „Hear My Cry” (1991), „One Day in People’s Poland“ (2005) oder „Violated Letters” (2011). Als Dozent der Filmuniversität Łódź betreute er seit 2007 weit über 100 filmische Arbeiten von Studierenden.

Vita Želakeviciute (geb. 1959 in Kaunas/Litauen) studierte Film in Moskau sowie Kamera an der Filmhochschule Łódź. Zwischen 1997 und 2004 veröffentlichte sie in Polen fünf Dokumentarfilme, außerdem betreut sie Filmarbeiten von Studierenden. Nach „Danger Zone“ (2023) ist „Trains“ der zweite lange Dokumentarfilm, den sie als Produzentin betreute.

10.09. / 19:30 / City Kino Wedding / zu Gast: Maciej Drygas & Vita Żelakeviciute / Ticket-Link
11.09. / 20:00 / Klick Kino / zu Gast: Maciej Drygas & Vita Żelakeviciute / Ticket-Link
12.09. / 20:00 / Sputnik / zu Gast: Maciej Drygas & Vita Żelakeviciute / Ticket-Link

 

Pociągi / Trains © Deja Vu Film

 

 


 

Pod szarym niebem / Under The Grey Sky


PL 2024
R/B: Mara Tamkovich
82 min, OmeU
K: Krzysztof Trela
S: Katarzyna Leśniak
D: Aliaksandra Vaitsekhovic, Valentin Novopolskij u. a.

Nachdem der diktatorisch regierende belarusische Präsident Aljaksandr Lukaschenka erneut Wahlen gefälscht hat, brechen Proteste aus. Obwohl Lena vom Geheimdienst auf Schritt und Tritt verfolgt wird, filmt die junge, unabhängige Journalistin heimlich Demonstrationen und ihre blutige Niederschlagung. Kurz darauf wird sie selbst verhaftet und verschwindet zunächst spurlos.

Ihr Mann, der oppositionelle Intellektuelle Ilja, muss weitgehend machtlos mit ansehen, wie seiner Frau ein fairer Prozess verweigert wird. Vielmehr wird Lena wegen Staatsverrats angeklagt und in ein Straflager verlegt. Selbst eine versierte Anwältin kann ihr nicht weiterhelfen. Lena drängt ihren Mann, ins Ausland zu gehen, aber er hat Zweifel – kann er möglicherweise erfolgreicher für sie und die gemeinsame Sache kämpfen, wenn er in Belarus bleibt?

Die in Minsk geborene polnisch-belarusische Regisseurin Mara Tamkovich erzählt in ihrem Polit-Drama die Geschichte ihres Kurzfilms „Na żywo / Live“ (2022) weiter. Sie verarbeitet dabei die wahre Geschichte der belarusischen Journalistin Kazjaryna Bachwalawa und zeigt anhand ihres Falls, wie sehr in einer Diktatur das Politische ins Private eindringt und Menschen zu Entscheidungen zwingt, bei denen es weder Richtig noch Falsch gibt. [Rainer Mende]

Mara Tamkovich (geb. in Minsk) studierte Journalistik in Warschau und Regie in Łódź. Sie arbeitete als Journalistin für das belarusische Exil-Fernsehen, schrieb Drehbücher und drehte Kurzfilme sowie TV-Serien. „Under the Grey Sky“ ist ihr Langfilmdebüt und basiert auf ihrem preisgekrönten Kurzfilm „Live“ (2022).

14.09. / 15:00 / fsk Kino / zu Gast: Mara Tamkovich / Ticket-Link
15.09. / 19:30 / City-Kino Wedding / zu Gast: Mara Tamkovich / Ticket-Link
16.09. / 19:00 / Wolf Kino / zu Gast: Mara Tamkovich / Ticket-Link / vorher 18:00 Gespräch „Der weiße Gesang“ mit der Autorin Dorota Danielewicz

 

Pod szarym niebem / Under The Grey Sky

 


 

Utrata równowagi / Loss Of Balance


PL 2024
R/B: Korek Bojanowski
98 min, OmeU
B: Korek Bojanowski & Katia Priwieziencew
K: Jakub Czerwiński
S: Filip Dziuba
M: Wojciech Frycz
D: Nel Kaczmarek, Tomasz Schuchardt, Oskar Rybaczek, Angelika Smyrgała, Mikołaj Matczak, Maria Wróbel, Maksymilian Piotrowski, Pola Jodłowiec u. a.

Der Film beginnt mit dem Zitat eines Hochschullehrers: „Ich muss euch vergewaltigen, damit euch nicht das Leben vergewaltigt.“ Man ahnt also schon früh, worum es geht – Hierarchien im Bildungswesen und wie leicht es ist, sie zu missbrauchen. Das erleben wir am Beispiel einer Gruppe junger Menschen, die kurz vor dem Abschluss ihres Schauspiel-Studiums an der Filmhochschule Łódź stehen. Sie wollen in Eigenregie „Lady Macbeth“ inszenieren, die Aufführung entscheidet über ihre berufliche Zukunft.

Zur Unterstützung wird den Studierenden der erfahrene Jacek zur Seite gestellt. Der ist bestens vernetzt und verspricht dem Nachwuchs einen großen Auftritt in einem renommierten Theater – womit er automatisch eine Machtposition einnimmt. Die nutzt er skrupellos aus, indem er die Schauspieler*innen manipuliert, gegeneinander ausspielt und psychisch wie physisch an ihre Grenzen bringt – angeblich aus pädagogischen Gründen. Wie lange spielen sie dieses Spiel mit?

Polen hatte 2021 einen #metoo-Fall in der Filmhochschule Łódź, der große mediale Aufmerksamkeit erregte und hier filmisch aufgearbeitet wird. Der Fokus liegt nicht auf dem Täter und seiner Motivation, sondern auf den Opfern. Dabei haben auch einige noch unbekannte Nachwuchstalente – allen voran Nel Kaczmarek als Protagonistin Maja – die Chance, ihr Können vor der Kamera zu beweisen. [Rainer Mende]

Korek Bojanowski (geb. 1993) studierte Regie in Paris sowie Drehbuch in Warschau und betreibt das Warschauer Studiokino „Amondo“. Der Drehbuchautor und Produzent veröffentlichte als Regisseur drei kurze Spiel- und Dokumentarfilme, bevor er mit „Loss of Balance“ seinem ersten langen Spielfilm drehte.

12.09. / 18:00 / Thalia Potsdam / zu Gast: Korek Bojanowski / Ticket-Link
13.09. / 20:00 / Sputnik / zu Gast: Korek Bojanowski / Ticket-Link
14.09. / 19:30 / City-Kino Wedding / zu Gast: Korek Bojanowski / Ticket-Link

 

Utrata równowagi / Loss Of Balance © Dynamo Film