Der Anfang ist immer voller Hoffnung. Nicht nur für die Eltern, sondern auch für die Kinder. Die Ernüchterung kommt im Leben früh genug, aber sie muss nicht zwingend mit dem Bildungssystem zu tun haben. Einige der filmischen Bildungsstätten in Polen haben sogar Kultstatus erworben. Eine von ihnen ist die Staatliche Hochschule für Film, Fernsehen und Theater „Leon Schiller“ in Łódź, abgekürzt PWSFTviT. Wir wollen in der Reihe #kinoPOLSKA an die ersten Schritte einiger ihrer Absolventen erinnern und und weitere Gesichter des polnischen Films vorstellen.
I / Marek Piwowski
II / Krzysztof Kieślowski
IV / Krystyna Janda
V / Kazimierz Karabasz
VI / Das Kino der Frauen – Dorota Kędzierzawska
VII / Jerzy Stuhr
VIII / Andrzej Wajda
IV / At Home
X / Bogumił Kobiela
XI / Wojciech Kilar
I / Marek Piwowski
Wir beginnen mit zwei Kurzfilmen aus der Studienzeit und einem unvergesslichen Langfilm. Gast der ersten Folge von #kinoPOLSKA ist Marek Piwowski, das „unartige Kind“ des polnischen Kinos. In seinem ersten Kurzfilm verwandelte er die Filmschule in ein absurdes Western-Städtchen (als Referenz an den kürzlich verstorben Hollywood-Kinohelden Kirk Douglas) und im zweiten in eine Spelunke oder Obdachlosenkantine. Was ihm beinahe die Exmatrikulation einbrachte. Der dritte Film „Rejs / Die Dampferfahrt“ verstaubte mehre Jahre in Regalen, wohin er durch die Staatszensur verbannt wurde. Film ab!
V / Kazimierz Karabasz
VI / Das Kino der Frauen – Dorota Kędzierzawska
VII / Jerzy Stuhr
VIII / Andrzej Wajda
39/14 – 75 Jahre nach Kriegsende
Die Corona-Pandemie hat den roten Teppich entzaubert. Die Kinos stehen leer, die Filmproduktion wurden unterbrochen und die meisten Festivals auf das nächste Jahr verschoben oder ins Netz verlegt. „Stay Home“ wurde zum Gebot der letzten Monate.
Eine Krise ist eine Herausforderung, eine Suche nach gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lösungen. Wir alle sind persönlich davon betroffen. Derlei Dramen gehören zum Wesen der filmischen Narration und haben seit der Erfindung des Mediums die Zuschauer gefesselt. Auch Covid-19 sucht nach seinen Ausdrucksformen in der Filmkunst.
Zum Projekt „At Home (W domu)“ des Senders HBO wurden vierzehn polnische Filmemacher/innen und visuelle Künstler/innen eingeladen. Sie erzählen von ihrer persönliche Isolation in den Zeiten der Pandemie. 14 Filme entstanden, in denen die globale Krise zu einer künstlerischen Inspiration wurde – 14 Zeitzeugnisse über die Welt, in der wir alle leben, hier und jetzt. Die Filme befinden sich noch in der Postproduktion, wir müssen also auf das Corona-Panoptikum noch ein wenig warten. In der Zwischenzeit wollen wir die beteiligten Künstler/innen kurz vorstellen, indem wir ihre früheren Arbeiten zeigen oder sie selbst zu Wort kommen lassen.
www.youtube.com/watch?v=XfoQKGOaOEY&t=81s
Jerzy Skolimowski über „Essential Killing“ und seine Karriere (engl.)
www.youtube.com/watch?v=XfFt9RfO9Bc
Jan P. Matuszyński: Ostatnia rodzina / The Last Family (Spielfilm, 2016, Trailer, engl. UT)
www.youtube.com/watch?v=9OnIToZ7sgI
Krzysztof Skonieczny & Jacqueline Sobiszewski: Limbs of Sun (Experimentalfilm, 2016)
www.youtube.com/watch?v=-c7j88uOOpw
Małgorzata Szumowska über „Miu Miu Women’s Tales“ (2020)
www.youtube.com/watch?v=vJciYQX9mwY
Michał Englert über seine Małgorzata Szumowska und Arbeit als Kameramann (2013, engl. UT)
www.youtube.com/watch?v=in-pj–Ef9A
Jacek Borcuch über „Wszystko co kocham / Alles was ich liebe“ (2010, engl.)
www.youtube.com/watch?v=VRQaTANGDIM
Daniel Bloom: Musikvideo zum Film „Wszystko co kocham / Alles was ich liebe“ von Jacek Borcuch (2010)
www.youtube.com/watch?v=BZQ8-tubv7s
Andrzej Dragan über seine Arbeit als Fotograf und den „Dragan-Effekt“ (2017, engl.)
www.youtube.com/watch?v=vsDlm36nPZU
Anna Zamecka: Komunia / Kommunion (Dokumentarfilm, Trailer, 2017, dt.)
www.youtube.com/watch?v=4Zb5fUwTLnY
Krzysztof Garbaczewski über seine Arbeit als Theaterregisseur und Szenograf (2019, engl.)
www.youtube.com/watch?v=svmtgJwccTo
Renata Gąsiorowska: Birthday (Animationsfilm, 2013)
www.youtube.com/watch?v=tQQtxqaOgCY
Magnus von Horn über „Intruz / Evterskalv“ (2016, engl.)
www.youtube.com/watch?v=SIzAdWqKOV8
Paweł Łoziński: Werka (Dokumentarfilm, 2014, Trailer, engl. UT)
www.youtube.com/watch?v=nQ6cm0ipjgw
Tomek Popakul über seinen Animationsfilm „Acid Rain“ (2019, engl.)
www.youtube.com/watch?v=9OsS_zDMqPY
Mariusz Treliński: Halka (Operninszenierung, 2019, Auszug)
www.youtube.com/watch?v=8mrBJnaK1OU
Mariusz Treliński: Król Roger / König Roger (Operninszenierung, 2011, Trailer)
www.youtube.com/watch?v=M8sJmZKVsJ8
Xawery Żuławski: Mowa ptaków / Bird Talk (Spielfilm, 2019, Trailer)
Für Wisława Szymborska war er der professionellste Komödiant überhaupt, der Theaterregisseur Zygmunt Hübner hob ihn auf eine Stufe mit Charlie Chaplin, Buster Keaton und Harold Lloyd: Bogumił Kobiela wurde 1931 in Katowice geboren und studierte die Schauspielkunst in Kraków. Seine ersten Schritte auf der Bühne machte er beim famosen Studententheater „Bim-Bom“ in Gdańsk. Kobiela spielte im Theater, im Kabarett, im Kino. In 34 Filmen stand er vor der Kamera und seine Rollen bleiben unvergesslich.
In „Popiół i diament / Asche und Diamant“ von Andrzej Wajda füllte Kobiela die Rolle eines Parteiaktivisten mit Leben, für den seine zukünftige Kariere mit einer spektakulären Katastrophe auf dem Banketttisch endet. In „Zezowate szczęście / Das schielende Glück“ von Andrzej Munk verkörperte Kobiela einen tragischen Gutmenschen, über den das Schicksal bitter lacht, und im „Człowiek z M-3 / Der Mann mit der Zweizimmerwohnung“ von Leon Jeannot ein Muttersöhnchen bzw. einen Versager in der Welt der absurden Planwirtschaft.
Kobielas Auftritte vor der Kamera hatten immer etwas Besonderes, fast Unheimliches. Er balancierte zwischen Himmel und Hölle, aber in seinem Balanceakt blieb er uns mit seinen Schwächen immer nahe. Es gelang ihm, das Komödienhafte mit dem Tragischen zu paaren. Seine Auftritte bargen immer eine Prise metaphysischen Schmerz, in dem das Persönliche und das Gesellschaftliche in einem historischen Einklang münden. Nie zuvor hatte das polnische Kino einen solch differenzierten Schauspieler, der ohne Pathos und Klamauk die Zerrissenheit der menschlichen Seele in einer Historie ohne Erbarmen verkörperte.
Im Jerzy Skolimowskis jahrelang verbotenen Werk „Ręce do góry / Hände hoch!“ wird ein überdimensionales Porträt von Josef Stalin auf einer Leinwand angebracht. Stalins falsch geklebtes Gesicht mit zwei Paar Augen ist omnipräsent und füllt fast vollständig das Bild. Kobiela erstarrt kurz vor der monströsen Erscheinung, dann rennt er in Panik davor weg in Richtung der Kamera und schreit: „Alles um sonst, alles umsonst, acht Jahre Grundschule, vier Jahre Gymnasium, fünf Jahre Studium, alles umsonst, alles umsonst …“ Seine Verzweiflung wird unsere Verzweiflung und verschlägt uns den Atem.
>> http://www.youtube.com/watch?v=Ta4AcMA3Xnw (Jerzy Skolimowski: Ręce do góry / Hände hoch; Ausschnitt, PL 1967/1985, engl. UT)
Bogumil Kobiela starb mit 37 Jahren bei einem Autounfall.
Was verbindet so unterschiedliche Regisseure wie Krzysztof Kieślowski, Kazimierz Kutz, Marek Piwowski, Roman Polański, Andrzej Wajda oder Krzysztof Zanussi? Es ist die Musik – die Musik von Wojciech Kilar.
Krzysztof Kieślowski: Przypadek / Der Zufall möglicherweise (poln.):
https://ninateka.pl/kolekcje/kilar/muzyka-filmowa/przypadek-krzysztof-kieslowski
Kazimierz Kutz: Sól ziemi czarnej / Das Salz der schwarzen Erde (poln.):
https://ninateka.pl/kolekcje/kilar/muzyka-filmowa/sol-ziemi-czarnej-kazimierz-kutz
Marek Piwowski: Rejs / Die Flusskreuzfahrt (poln.):
https://ninateka.pl/kolekcje/kilar/muzyka-filmowa/rejs-marek-piwowski
Roman Polański: Pianista / Der Pianist (poln.):
https://ninateka.pl/kolekcje/kilar/muzyka-filmowa/pianista-roman-polanski
Andzrej Wajda: Ziemia obiecana / Das gelobte Land (poln.):
https://ninateka.pl/kolekcje/kilar/muzyka-filmowa/ziemia-obiecana-andrzej-wajda
Krzysztof Zanussi: Bilans kwartalny / Zwischenbilanz (poln.):
https://ninateka.pl/kolekcje/kilar/muzyka-filmowa/bilans-kwartalny-krzysztof-zanussi
Kein anderer Komponist hat das polnische Kino so wie Wojciech Kilar geprägt. Seine Werke sind eine wunderbare Melange aus neoklassischen Kompositionen, akustischen Experimenten der Zwölftonmusik und Folklore. Er vereinte in seinen Kompositionen das Universale mit dem Lokalkolorit. Insgesamt schuf er die Musik zu 156 Filmen, die hier aufgelistet sind: https://ninateka.pl/kolekcje/kilar/filmografia.
Aber die Arbeit fürs Kino war für Kilar stets nur ein lukrativer Nebenjob – eine Begleiterscheinung seiner Werke für Solostimmen, Chor und Orchester. Oft mündeten seine Werke in religiösen Erhabenheit, die für ihn ein Ausdruck der Begegnung mit Gott war.
Wojciech Kilar: Exodus (2012)
Dass das Religiöse oft auch dem Profanem innewohnt, kann man wunderbar am Beispiel zweier Walzer hören, die er für Jerzy Hoffman und Andrzej Wajda schrieb:
Wojciech Kilar: Walzer aus „Trędowata / Nicht standesgemäß“ von Jerzy Hoffman
Wojciech Kilar: Walzer aus „Ziemia obiecana / Das gelobte Land“ von Andrzej WajdaWojciech Kilar: Krzesany (2016)
Auf der Webseite des Komponisten findet man Videos, in denen seine „Auftraggeber“ wie Andrzej Wajda über seine Musik und ihre gemeinsame Arbeit sprechen:
Andrzej Wajda über Wojciech Kilar (engl. UT)
Eine Kurzbiographie auf Culture.pl stellt Kilars Leben und Werk vor:
https://culture.pl/en/artist/wojciech-kilar