R/B/K: Karol Pałka, 70 min, OmeU, zu Gast: Jenni Zylka (Jurorin bei filmPOLSKA 2022)
Das baufällige Haus, in dem Danusia und ihre Tochter Basia leben, scheint nicht nur in einer anderen Welt zu stehen, sondern auch in einer anderen Zeit. Die funkelnden Neubauten der Hochhäuser sind Lichtjahre entfernt von diesem Ort, von dem es selbst bis zum nächsten Dorf ein langer Weg ist – und der doch voller Leben steckt. Denn Unmengen von Tieren und Geistern bevölkern das Gehöft und zwei Personen bieten schon ausreichend Konfliktpotenzial.
Während die Mutter in einer Zeitschleife gefangen scheint, holt die Tochter subtil die Neuzeit ins Haus, die sogar Mobilnetz hat. So spiegelt sich in diesem Mikrokosmos das ganze Leben mit seinen alltäglichen Reibereien, kleinen Ausbrüchen und grundlegenden Entscheidungen: aufbegehren oder aufgeben, widersprechen oder schweigen, gehen oder bleiben?
Die Kamera ist den Protagonistinnen unendlich nah, der Schnitt präzise und unaufgeregt. Im Zusammenspiel mit den dröhnenden Ethno-Sounds der ukrainischen Band DakhaBrakha entwickeln die ruhigen, stimmigen Bilder in diesem „Hirtengedicht“ einen hypnotischen Sog, der nur im abgedunkelten Kinosaal mit aufgedrehten Lautsprechern seine volle Wirkung entfaltet. [Rainer Mende]
S: Katarzyna Boniecka
M: We Will Fail
„Bukolika“ hat den Hauptpreis im Wettbewerb von filmPOLSKA 2022 gewonnen. Die Jury begründete wie folgt ihre Entscheidung: „Die Mutter erzählt von Trollen. Die erwachsene Tochter raucht in süchtigen Zügen eine Zigarette heiß, tanzt hexengleich um ein Lagerfeuer. Und telefoniert heimlich mit einem Mann … Der Film dokumentiert die ambivalente Beziehung zwischen zwei Frauen, deren Leben sich rund um ihr mit Devotionalien vollgestelltes, abgelegenes Häuschen, die Versorgung der Kühe und seltene Dorfbesuche dreht. Mit seinem visuell großartig komponierten Werk, dessen konterkarierende Filmmusik eine eigene Bedeutungsebene bietet, ist dem Regisseur eine tiefgründige, enigmatische, niemals ausbeuterische Meditation zum Thema Einsamkeit gelungen. Die Jury ist beeindruckt und vergibt den Preis der 2022er-Ausgabe vom Filmfestival filmPOLSKA an Karol Pałka für seinen Dokumentarfilm ‚Bukolika‘ (IT: „Bucolic“).“
Der Fotograf Karol Pałka (geb. 1991) hat in Katowice und Warschau studiert. Mit seinem dritten Dokumentarfilm „Bukolika“ gewann er u. a. die Silberne Taube bei DOK Leipzig 2021.
Jenni Zylka, seit 1988 in Berlin, ist freie Kulturjournalistin mit den Schwerpunkten Film und Musik (u. a. für Der Spiegel, taz, Der Tagesspiegel, der Freitag, epd Film, Rolling Stone). Sie kuratiert Filme für die Sektion Panorama der Berlinale, moderiert Filmgespräche und Pressekonferenzen für u. a. die Berlinale, das Filmfest Emden und das Filmfest Dresden, ist Kulturkommentatorin beim RBB, MDR, WDR und Deutschlandfunk, schreibt Bestseller und Drehbücher, ist Jurorin beim Grimme-Preis, prüft Fernsehinhalte für die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen, schreibt für den Medien-Watchblog Altpapier und unterrichtet Journalismus an der Akademie Mode & Design Berlin.
Veranstalter: Polnischer Filmclub der Universität Potsdam in Kooperation mit dem Polnischen Institut Berlin und dem Thalia Filmtheater Potsdam
Veranstaltung auf Facebook
Info: www.facebook.com/polnischerfilmclub, www.thalia-potsdam.de
Karten: Reservierung: 0331/7437 020, Kasse: 0332/7437 030
Ort: Thalia Filmtheater, Rudolf-Breitscheid-Str. 50, 14482 Potsdam-Babelsberg
Fotos © Taskovski Films