Apokawixa / It Came from the Water

PL 2022
R: Xawery Żuławski
120 min, OmdU
B: Xawery Żuławski, Krzysztof Bernaś & Maciej Kazula
K: Marian Prokop
S: Wojciech Włodarski
M: Jan Komar & Mikołaj Majkusiak
D: Mikołaj Kubacki, Waleria Gorobets, Monika Mikołajczak, Mariusz Urbaniec, Alicja Wieniawa-Narkiewicz, Marta Stalmierska, Sebastian Fabijański, Cezary Pazura, Tomasz Kot u. a.

Endlich ist das Schuljahr mit Maskenzwang und Videokonferenzen zu Ende. Die Schüler*innen rasen ans Meer, denn da lockt die Party des Jahres. Einer von ihnen hat in das Schloss seines Vaters eingeladen, um eine Nacht lang exzessiv den Sommer und die Freiheit zu feiern – während in der Hauptstadt schon die nächste Mutation eines Virus grassiert. Dummerweise hat sein Vater tonnenweise Müll in die Ostsee gekippt, worauf sich gefährliche Algen bilden. Wer jetzt ins Wasser steigt, wird augenblicklich zum Zombie und geht blutgierig auf Menschenjagd.

Nach der lyrischen Verbeugung „Mowa ptaków“ vor seinen Vater wechselt Żuławski das Metier, greift tief in die Genre-Schublade und serviert einen bluttriefenden, aber augenzwinkernden Zombie-Slasher, der alle notwendigen Trademarks – jugendliche Hauptdarsteller*innen, kurze Zeitspanne, Coming of Age, Thrill und Romantik – liefert und doch einen doppelten Boden hat. Denn neben den offensichtlichen Anspielungen auf die Corona-Pandemie hat der Regisseur jede Menge Öko-Aspekte in die Handlung gepackt. In zügigem Tempo, unterlegt von einem vielfältigen, krachigen Soundtrack und mit unverbrauchten Gesichtern in Haupt- sowie einigen Stars in Nebenrollen nimmt die Splatter-Orgie immer wieder Bezug auf den Klimawandel oder das Fischsterben in der Oder. [Rainer Mende]

13.09. / 21:00 / City Kino Wedding
14.09. / 20:00 / Sputnik / in Kooperation mit dem FilmFestival Cottbus / zu Gast: Bernd Buder

It Came from the Water ©TVN S.A.

Boylesque

PL/CZ 2022
R/B: Bogna Kowalczyk
71 min, OmeU
K: Miłosz Kasiura
S: Aleksandra Gowin, Kacper Plawgo & Krzysztof Komander
M: Wojciech Frycz

Der über 80 Jahre alte Andrzej Szwan lebt eher unauffällig in einem Wohnblock. Aber als „Lulla la Polaca“ ist er bekannt wie ein bunter Hund, denn unter diesem Künstlernamen ist er die älteste Drag Queen Polens. Privat ist er die Definition des Wortes „kultiviert“ – geschmackvoll gekleidet, ausgeglichen und mit guten Manieren, feiner Selbstironie sowie eloquenter Wortwahl ausgestattet. Moderne Technik bereitet ihm keine Probleme und dank regelmäßigem Sport ist auch sein Körper immer noch gut in Schuss.

Andrzejs Leben ist prall gefüllt: Wenn wir ihn auf Partys und Shows begleiten, ist er meist von jungen Menschen umgeben. Überhaupt scheint er rastlos zu sein – ständig ist er unterwegs, feiert hier, isst dort, besucht Freunde, sucht in Dating-Apps nach Kontakten oder organisiert zu Hause Theatervorstellungen. Und doch klafft in diesem rastlosen Leben eine große Leerstelle. Diese hat sein Freund hinterlassen, für den er sich auf die Suche nach einer angemessenen Urne macht.

Bogna Kowalczyk möchte kein politisches Statement setzen, sondern eine persönliche Geschichte erzählen. Nicht der Bühnen-Lulla gilt ihr Interesse, sondern dem Menschen hinter ihr. Die Biografie eines Protagonisten der polnischen LGBTQ+-Bewegung ist für sie nur der Ausgangspunkt einer universalen Erzählung über Verlust, Trauer und die zunehmende Einsamkeit, wenn man zu einer Welt gehört, die langsam verschwindet und für Neues Platz macht. [Rainer Mende]

12.09. / 19:30 / City Kino Wedding
15.09. / 21:00 / K18
17.09. / 18:00 / Sputnik

Boylesque ©Bogna Kowalczyk

Drzewa milczą / Silent Trees

PL 2024
R/B: Agnieszka Zwiefka
85 min, OmeU
K: Kacper Czubak
S: Michał Buczek
M: Niklas Paschburg

Runa ist sechzehn, trägt locker sitzende dunkle Klamotten, malt gern und steht auf Billie Eilish. Sie könnte ein ganz normales Mädchen sein, aber sie ist mit ihrer kurdischen Familie aus dem Irak vor dem IS über Belarus nach Polen geflüchtet. Nach 18 Tagen im Wald stirbt ihre Mutter und sie findet sich unversehens in der Rolle der Ersatzmutter wieder – ihr Vater ist mit den vier jüngeren Brüdern und dem Leben in einem völlig fremden Land heillos überfordert.

Über einen langen Zeitraum beobachtet Agnieszka Zwiefka eine doppelte Metamorphose. Die Familie verlässt ihren Container an der belarusischen Grenze und versucht, sich einen Alltag mit Wohnung, Schule und Arbeit aufzubauen. Gleichzeitig wächst Runa langsam in ihre neue Rolle als Familienoberhaupt hinein, obwohl sie sich vermutlich lieber altersgemäß mit Comics, Freunden und Musik beschäftigen würde.

Die dunklen Bäume des polnisch-belarusischen Urwalds ziehen sich als Leitmotiv durch die Geschichte. Hier drang das Dunkel in Runas Leben ein, hier änderte sich ihr Schicksal für immer. Meist schweigt sie über ihre Gefühle – diese drückt sie lieber in Zeichnungen aus, deren Ästhetik von eingestreuten Animationen aufgenommen und in fantastische Sequenzen übersetzt wird. [Rainer Mende]

14.09. / 15:00 / fsk / zu Gast: Agnieszka Zwiefka
15.09. / 18:00 / Sputnik / zu Gast: Agnieszka Zwiefka
16.09. / 19:30 / City Kino Wedding / zu Gast: Agnieszka Zwiefka

Silent Trees ©Kacper Czubak

Kos / Scarborn

PL 2023
R: Paweł Maślona
119 min, OmdU
B: Michał A. Zieliński
K: Piotr Sobociński jr.
S: Piotr Kmiecik
M: Mikołaj Trzaska
D: Bartosz Bielenia, Jacek Braciak, Jason Mitchell, Robert Więckiewicz, Agnieszka Grochowska, Łukasz Simlat, Andrzej Seweryn u. a.

Frühjahr 1794, Polen ist in Aufruhr. General Tadeusz „Kos“ Kościuszko, ein enger Verbündeter von General George Washington und Oberst in der Kontinentalarmee, kehrt in seine polnische Heimat zurück. Begleitet wird er von seinem dunkelhäutigen Freund Domingo, einem ehemaligen Sklaven. Gemeinsam planen sie, den polnischen Adel und die Bauern zu einem Aufstand gegen die Russen zu mobilisieren.

Doch Kościuszko wird von Anfang an von dem gnadenlosen russischen Rittmeister Dunin verfolgt. Der will den General um jeden Preis gefangen nehmen, bevor dieser einen Volksaufstand auslösen kann. Zur gleichen Zeit träumt der junge Bauer Ignacy – ein adeliger Bastard – davon, Wappen und Gut von seinem leblichen Vater Duchnowski zu erhalten. Dieser hatte ihn kurz vor seinem Tod testamentarisch damit bedacht.

Ein bisschen Western, ein bisschen Tarantino – so respektlos, gnadenlos und provokant wurde die polnische Geschichte lange nicht mehr auf die Leinwand gebracht. Maślona gelang es mit seinem zweiten Film nicht nur, den Staub einiger Historienfilme wegzupusten, sondern auch, den Hauptpreis beim polnischen Filmfestival in Gdynia zu gewinnen und ein großes Publikum jeden Alters ins Kino zu locken. [Bernd Karwen / Rainer Mende]

13.09. / 20:00 / Sputnik 
14.09. / 19:30 / City Kino Wedding
15.09. / 15:00 / fsk

Scarborn ©AURUM FILM

Lęk / Anxiety

PL/CH/D 2023
R: Sławomir Fabicki
96 min, OmdU
B: Monika Sobień-Górska
K: Bogumił Godfrejów
S: Maciej Pawliński
D: Magdalena Cielecka, Marta Nieradkiewicz, Sabine Timoteo, Maciej Kosiacki u. a.

Zwei Frauen fahren im Auto einem noch unbekannten Ziel entgegen – die konsequente und entschiedene Małgorzata und die etwas enigmatische, verbittert wirkende Łucja. Obwohl sie Schwestern sind, könnten ihre Charaktere kaum unterschiedlicher sein. Während die Geschäftsfrau Małgorzata alles unter Kontrolle hat, wirkt die Kosmetikerin Łucja unentschlossen und zögerlich.

Als verschwistertes Odd Couple fahren sie immer weiter nach Westen, mit zahlreichen Pausen. Denn Małgorzata muss viel schlafen, Tabletten nehmen und sich Medikamente spritzen. Ohne die Hilfe ihrer besorgten Schwester kann sie den Alltag nicht mehr bewältigen, denn sie ist nicht nur krank – sie ist sterbenskrank. Łucja sieht in einer deutschen Klinik die letzte Chance, für ihre Schwester doch noch das Schlimmste abzuwenden. Aber die hat andere Pläne.

Das subtile Roadmovie lebt und atmet vor allem durch seine exzellenten Hauptdarstellerinnen. Gemeinsam halten Magdalena Cielecka und Marta Nieradkiewicz die voyeuristische Nähe der Kamera aus, die durch keinen Musikteppich abgemildert wird. Sie gehen mit Andeutungen und Zwischentönen so glaubhaft in ihren Rollen auf, dass sie auch in der alltäglichsten Szene stets die unterschwellige, existenzielle Dramatik ihrer Situation durchschimmern lassen. [Rainer Mende]

14.09. / 18:00 / Thalia Potsdam
15.09. / 16:00 / Sputnik
17.09. / 19:30 / City Kino Wedding

Anxiety © Apple Film

Najgłośniej słychać milczenie / Silence Heard Loud

PL 2022
R/B: Anna Konik
70 min, OmeU
K: Józefina Gocman-Dicks
S: Agnieszka Kowalczyk & Anna Konik
M: Wojciech Błażejczyk

Sie flohen aus Sierra Leone, Nigeria, Saudi-Arabien, Sri Lanka oder Eritrea. Sie haben eine dunkle Hautfarbe. Ihre Vergangenheit liest sich wie das Drehbuch zu einem Kriegs- und Fluchtdrama: Gewalt, Vertreibung, Not, Krieg, Verlust von Eltern und Verwandten, Obdachlosigkeit, Entführung, Gefängnis, Verletzungen, Vergewaltigung und Homo-Feindlichkeit heißen die Kapitel. Viele von ihnen sind traumatisiert. Sie leben schon lange im sicheren Großbritannien, manche sind sogar dort aufgewachsen – aber angekommen sind sie nie.

Jetzt sitzen sie vor der Kamera in leeren Räumen und in Verkehrsmitteln oder wandeln allein durch anonyme Menschenmengen. Aus dem Off hören wir als vielstimmige Collage ihre Geschichten. Sie erzählen eloquent, wie gern sie hier zu Hause sein würden, aber auch davon, wie sehr das politische und soziale System sie als fremde Eindringlinge behandelt und ablehnt.

Die in artifiziell kolorierten Bildern mit diversen Verfremdungseffekten und Animationen porträtierten Protagonist*innen haben vom Compass Project Stipendien erhalten, die ihnen eine Ausbildung an britischen Universitäten ermöglichen, obwohl sie immer noch den Status von Asylbewerber*innen haben. Für dieses Projekt hat Abba Konik dieses künstlerische Gruppenporträt produziert, in dem sie persönliche Geschichten mit einer politischen Aussage verknüpft. [Rainer Mende]

13.09. / 21:00 / K18 
15.09. / 19:30 / City Kino Wedding / zu Gast: Anna Konik
16.09. / 18:00 / Sputnik / zu Gast: Anna Konik

Silence Heard Loud ©Anna Konik


Titelfoto: It Came from the Water ©TVN S.A.