Vernissage: 05.12.2023 / 19:00 Uhr
Die Geschichte mitteleuropäischer Städte – und nach 1989 zunehmend wieder ihre Gegenwart – ist von vielfältigen wechselseitigen Beziehungen geprägt. Hier sind Zeit und Raum eng miteinander verwoben, verdichtet zu einem komplexen urbanen Gewebe.
Jahrhundertalte Bezüge verbinden auch Poznań und Berlin. Menschen unterschiedlicher Hintergründe lebten in denselben Straßen und Häusern, teilten ihren Alltag miteinander. Die Spuren dieses Alltags findet man in Sprache, Kultur und nicht zuletzt Architektur.
Das „Berliner Zimmer“ bezeichnete ursprünglich ein Durchgangszimmer zwischen Vorderhaus und Seitenflügel – es war ein Raum des Dazwischen, ein offener Raum mit mehreren Zugängen. Er gehört sowohl in Berlin als auch in Poznań vielerorts noch zum Stadtbild und wurde zum festen Terminus in beiden Sprachen. Künstler*innen aus Berlin und Poznań nehmen dieses „Berliner Zimmer“ zum Ausgangspunkt einer Stadtrecherche und decken Schnittstellen auf, die neue Dynamiken freisetzen sowie neue urbane Räume und Alltagsrealitäten gestalten.
Der Austausch der künstlerischen Perspektiven ermöglicht es, Aspekte der Beziehungen zwischen beiden Städten erkennbar und erfahrbar zu machen und somit dem Dialog zwischen Berlin und Poznań im Hier und Jetzt Leben einzuhauchen. Die Künstler*innen verbindet nicht zuletzt die für unsere Zeit typische Mobilität – sie bewegen sich zwischen den Städten und machen Erfahrungen mit interstädtischer und grenzübergreifender, internationaler Migration. Das macht sie hellhörig für das Besondere und fordert uns Zuschauer heraus, hinter die eigenen Stadtränder zu schauen, aber auch dem eigenen Lebensraum mit frischem, unverstelltem Blick zu begegnen.
Mitwirkende Künstler*innen:
Sonya Schönberger (Videodokumentation)
Andrea Vollmer & Michael Kuchinke-Hofer (Fotografie)
Reinhold Friedl (Klanginstallation)
Anna Kędziora (Fotografie)
Paweł Kula (Fotografie & Objekte)
Marek Noniewicz (Fotografie & Objekte)
Roland Schefferski (Installation)
Zu den Künstler*innen:
Die Fotografien von Marek Noniewicz entstanden 1999 in Jeżyce in einem für diesen Stadtteil von Poznań typischen Mietshaus, in dem der Künstler damals lebte. Sie stellen eine Art intimes Tagebuch des Künstlers dar und wirken trotz ihres sorgfältigen Arrangements wie zufällig – eine visuelle Auseinandersetzung mit dem Prozess der Erinnerung.
Paweł Kula zeigt sich in seinen Arbeiten nicht so sehr von der Beständigkeit des fotografischen Bildes fasziniert als vielmehr von seiner Vergänglichkeit. Der Künstler kehrt zum Ursprung des Wortes „Kamera“ zurück, das Fotografie und Architektur gemeinsam ist, und denkt über die Beziehung zwischen Kamera, Camera obscura und Dunkelkammer nach.
Der in Berlin lebende Musiker und Pianist Reinhold Friedl nimmt das „Berliner Zimmer“ als Klangraum wahr und erschafft mit dem Berliner Philharmoniker Martin Heinze (Kontrabass) ein akustisches Zusammenspiel von Innen und Außen.
Anna Kędziora erforscht die Wechselwirkung zwischen Innen und Außen auf andere Weise. Die Künstlerin fotografierte zwei Palmenhäuser in beiden Städten. Die architektonischen Konzepte beider fußen auf dem Zusammenspiel von Glas und Metall und erzählen auch vom Wechselspiel zwischen Zivilisation und Natur sowie von der Geschichte kolonialistischer Dominanz.
Roland Schefferskis Installation bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Kunst und Leben. Verschiedensprachige Tageszeitungen verdecken die Fenster – von innen eröffnen Löcher den Blick auf das lebendige Straßenbild Berlins, einer facettenreichen Stadt im Wandel. Die Installation suggeriert eine Art „Renovierungszustand“ und symbolisiert den Transformationsprozess, den sowohl Berlin als auch Poznań zurzeit erleben.
Sonya Schönbergers „Berliner Zimmer“ ist eine umfangreiche Sammlung von Interviews, die mit heute in Berlin lebenden Menschen geführt wurden, und spürt Fragen nach Herkunft, Identität und Verwurzelung nach.
Andrea Vollmer und Michael Kuchinke-Hofer geht es um den Moment der Begegnung, den ersten flüchtigen Eindruck, wenn wir durch eine Stadt eilen und plötzlich innehalten. Auf ihren Streifzügen posieren zufällige Passantinnen und Passanten und ermöglichen durch ihre Präsenz einen anderen Blick auf den Raum.
Veranstalter: Convivium Berlin e. V. und Jeżyckie Centrum Kultury i Inicjatyw Społecznych Poznań in Zusammenarbeit mit dem Polnischen Institut Berlin, gefördert durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin, die Stadt Poznań und die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
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Öffnungzeiten: Di–Do 13:00–18:00, Fr 12:00–17:00
Eintritt: frei
Ort: Polnisches Institut, Burgstr. 27, 10178 Berlin