Podcast #4: „Vom Warschauer Ghetto nach Tirol – Leokadia Justmans Weg“ (Premiere: Ende April)
Zu Gast: Dominik Markl (Universität Innsbruck)
Moderation: Jakub Kukla, Journalist, Redakteur des Polnischen Rundfunks im Ausland
In der vierten Folge unseres Podcasts widmen wir uns der Frage, wie Erinnerungskultur lebendig bleiben kann – und warum es heute wichtiger denn je ist, sich mit persönlichem Einsatz gegen Hass, Ausgrenzung und das Vergessen zu stellen. Zu Gast ist Dominik Markl, Theologe, Philosoph, Jesuit und Kurator der Ausstellung „Leokadia Justman. Brechen wir aus! Als polnische Jüdin auf der Flucht in Tirol“, der zudem ein interdisziplinäres Forschungsprojekt initiierte, um diese bewegende Geschichte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Im Zentrum steht Leokadia Justman, eine Frau, deren Geschichte heute als eines der bedeutendsten Zeugnisse jüdischen Überlebens in Tirol gilt. Ihre bewegende Lebensgeschichte, die während der NS-Zeit durch den Mut Tiroler Widerstandskämpfer bewahrt wurde, wurde erst kürzlich entdeckt, dokumentiert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Eine ganz besondere Lebensgeschichte
Die Geschichte erinnert in ihrer Intensität und Emotionalität an den Spielberg-Klassiker „Schindlers Liste“: Leokadia Justman überlebte die Verfolgung der Nationalsozialisten unter falscher Identität in Tirol und Salzburg. Nach ihrer Flucht aus dem Warschauer Ghetto gelang ihr – gemeinsam mit ihrer Freundin Marysia – eine abenteuerliche Odyssee durch die vom NS-Regime beherrschte Welt. Dabei halfen ihr unter anderem fünf Tiroler Polizisten sowie mutige Frauen des Widerstands.
Gerade für junge Menschen ist Leokadias Geschichte besonders aufrüttelnd und greifbar. Sie erinnert uns daran, dass jede*r Einzelne Verantwortung trägt – für ein couragiertes, friedvolles Handeln im Heute.
TIPP: Buchpräsentation Di., 20. Mai, 18.00 Uhr, Polnisches Institut Wien
„Brechen wir aus!: Als polnische Jüdin auf der Flucht in Tirol. Eine autobiografische Überlebensgeschichte“ von Leokadia Justman (Tyrolia Verlag 2025)
Podiumsgäste: Niko Hofinger, Dominik Markl (Herausgeber)
Lesung: Izabela Janssen-Wnorowska
„Brechen wir aus!“ – jetzt auf Deutsch erschienen
Als Leokadia Justman ihre Erinnerungen niederschreibt, ist der Krieg vorbei. Die 1922 geborene polnische Jüdin hat – entgegen aller Wahrscheinlichkeit – überlebt. Ihre Fluchtgeschichte umfasst acht dramatische Jahre, beginnt im Warschauer Ghetto und führt sie schließlich nach Tirol. Diese einzigartigen Erinnerungen sind nun unter dem Titel „Brechen wir aus!“ (Tyrolia Verlag) auf Deutsch erschienen. Herausgegeben wurde das Werk von Niko Hofinger (Stadtarchiv Innsbruck) und Dominik Markl (Universität Innsbruck), die den Text mit einem interdisziplinären Team auf seine historische Authentizität überprüften.
Die Ausstellung zur Graphic Novel und zur Buchveröffentlichung läuft noch bis Oktober im Innsbrucker Landhaus und zeigt beeindruckende historische Funde.
Eine Entdeckung mit großer Bedeutung
Die Geschichte wurde durch den Tiroler Zeitzeugen Martin Thaler ins Licht gerückt, der sich an eine junge Frau erinnerte, die seine Mutter während der NS-Zeit versteckt hatte – „Lotte“, wie sie genannt wurde, entpuppte sich als Leokadia Justman. Ihre Identität, die Flucht und der Widerstand wurden durch ein Forschungsprojekt umfassend dokumentiert.
Besonders berührend: Leokadias Vater Jakob Justman wurde im KZ Reichenau ermordet. Sie selbst und Marysia wurden 1944 von der Gestapo verhaftet, konnten aber dank mutiger Helfer im Innsbrucker Polizeigefängnis der Deportation entkommen. Ihre weitere Flucht führte sie nach Lofer, wo sie unter christlicher Identität überlebte – mit Hilfe des Pfarrers von St. Martin und zahlreicher Unterstützer:innen.
Die erste jüdische Hochzeit in Tirol nach dem Krieg
Nach Kriegsende arbeitete Leokadia beim Jüdischen Komitee in Innsbruck, wo sie Joseph Wisnitzki kennenlernte. Im September 1945 heirateten sie – es war die erste jüdische Hochzeit in Tirol nach dem Nationalsozialismus. Später wanderte das Paar in die USA aus und gründete eine Familie. Auf ihr Betreiben hin wurden mehrere ihrer Helfer – darunter fünf Polizisten und zwei Frauen – von Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet.
Die Graphic Novel „Lodzia und Marysia“
Parallel zur Buchveröffentlichung entstand die Graphic Novel „Lodzia und Marysia“ von Illustrator Alwin Hecher, die die abenteuerliche Flucht der beiden jungen Frauen lebendig und visuell greifbar erzählt. Auf etwa 90 Seiten erleben Leser*innen den Mut, das Glück und die Stärke dieser außergewöhnlichen Freundschaft. Die Flucht vor der Gestapo und der dramatische Ausbruch aus dem Innsbrucker Polizeigefängnis werden in einer Form vermittelt, die besonders jungen Menschen den Zugang zur Geschichte erleichtert.
Das Polnische Institut lädt Sie ein, eine Reihe von Podcasts zu sehen, die an wichtige historische Jahrestage erinnern: den 80. Jahrestag des Kriegsendes, die Befreiung der Nazi-Lager Auschwitz (27. Januar) und Mauthausen-Gusen (5. Mai). Die Sendungen befassen sich mit der Geschichte der Lager, den Zeugnissen der Überlebenden und der Bedeutung des Gedenkens an diese Ereignisse in der heutigen Welt.
Die Podcasts werden von Januar bis Mai aufgenommen, und jede Folge wird durch Interviews mit Experten, Historikern und Zeitzeugen bereichert. Dies ist eine wichtige Initiative zur Verbreitung von Wissen und zum Nachdenken über die Tragödien des Zweiten Weltkriegs.