14.10.2021 Geschichte, Programm

Sozialgeschichte des Lagers Mauthausen-Gusen. Vortrag.

Das Thema des Vortrags von Prof. Dr. Piotr Madajczyk bildet die Reflexion über die polnische Subgesellschaft der Häftlingsgesellschaft im Lager Mauthausen-Gusen.

Um die Dynamik der sozialen Veränderung zu zeigen, wird die Bedeutung dreier Quellen besprochen: 1., das Gusen-Buch (Księga Gusen), 2., die polnischen Gerichtsakten aus der Nachkriegszeit, die die Anklagen gegen ehemalige polnische Funktionshäftlinge in Gusen betreffen; 3., die Interviews, gesammelt in „Karta“ in Warschau im Rahmen des Mauthausen Survivors Documentation Project.

Das letzte Projekt ist sehr gut bekannt, besonders in Österreich, und muss nicht näher beschrieben werden. Die Interviews mit den ehemaligen polnischen Häftlingen wurden von polnischen Interviewer*innen gemacht und sind heute für Forscher*innen zugänglich. Das Gusen-Buch entstand ab Anfang der 1960er-Jahre, als der Verein Mauthausen-Gusen eine Redaktionskommission einrichtete, bis in die 1970er-Jahre. Ehemalige Häftlinge, viele starben früher an den Folgen der Lagererfahrung, wurden mit Fragebögen angeschrieben und gebeten, Dokumente und Erinnerungen aller Art einzusenden. Besonders interessant sind die Gerichtsakten des Verfahrens gegen ehemalige polnische Funktionshäftlinge, die sich teilweise im Archiv des Polnischen Instituts des Nationalen Gedenkens befinden und ein heterogenes Bild der polnischen Gruppe der Häftlinge zeigen.

Jede dieser Quellen entstand in einer anderen Zeit: die Gerichtsakten kurz nach dem Kriegsende, das Gusen-Buch in 60er- und 70er-Jahren und die Interviews von Karta über ein halbes Jahrhundert nach der Befreiung des Lagers.

 

Prof. Dr. Piotr Madajczyk, Historiker und Politikwissenschaftler, geboren 1959, ist seit 1990 am Institut für politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau tätig. Derzeit Leiter der Arbeitsgruppe Deutschland sowie Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in Berlin.

Aktuelle Forschungsinteressen erfassen die aktuellen und historischen Fragen nationaler (besonders der deutschen) Minderheiten in Polen, die deutsch-polnischen Beziehungen im 20. Jahrhundert wie auch breiter gefasst die Zwangsmigrationen und ethnischen Säuberungen in Mittel- und Osteuropa nach 1945. In letzter Zeit beschäftigt sich Madajczyk mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Polen und der deutschen Bevölkerungspolitik. 2022 wird seine neue Publikation, eine Biografie von Raphael Lemkin, erscheinen.

 

Datum und Uhrzeit:

Do., 4. 11. um 18.30 Uhr

Ort:
Polnisches Institut Wien, Am Gestade 7, 1010 Wien

Info und Karten:
Eintritt frei. Anmeldung erforderlich: event.wien@instytutpolski.pl

Veranstalter:

Polnisches Institut Wien