8.02.2006
Kunst, Programm
ZEITGENÖSSISCHE POLNISCHE KUNST „Kondycje. Wirklichkeit. Sinnlichkeit. Körperlichkeit“.
Mi 08.02.2006 Galerie des Polnischen Instituts Düsseldorf
Im Rahmen des Deutsch-Polnischen Jahres 2005/ 2006 lädt das Polnische Institut Düsseldorf ein zur einer Begegnung mit Werken namhafter zeitgenössischer polnischer Künstlerinnen und Künstler:Paweł Althamer, Elżbieta Jabłońska, Grzegorz Klaman, Katarzyna Kozyra, Zofia Kulik, Konrad Kuzyszyn, Małgorzata Markiewicz, Marzanna Morozewicz und Artur Zmijewski
Die Ausstellung ist ein Ausschnitt aus der Sammlung II der Galeria Arsenał in Białystok, die im Rahmen des Programms „Zeichen der Zeit“ des Kulturministeriums der Republik Polen ständig erweitert wird.
Die ausgewählten Werke befassen sich direkt mit der Condition Humaine, mit dem Verhältnis des Menschen zur Realität, zur Sinnlichkeit, zur Körperlichkeit und Sexualität. In ihnen erscheinen die Reflexionen der Künstler über zwischenmenschliche Beziehungen, über verschiedene Formen der Abhängigkeit und Macht, über potenzielle Möglichkeiten und Resignation.
MANDALA von ZOFIA KULIK ist eine Art figurales Ornament, harmonisch und schön. Aber gleichzeitig zeigt es das ganze Böse, das daraus resultiert, wenn der Mensch in den Händen anderer Menschen oder Machtsysteme zum Werkzeug wird. Die Benutzung des Menschen als ornamentales Motiv nimmt ihm die Würde, obwohl das Modell seine Posen aus der christlichen wie auch der sozrealistischen Ikonografie entleiht, wird der Mensch versachlicht und entmündigt. Das Werk führt unsere Gedanken zu totalitären Systemen und stellt die Frage nach den Rechten des Individuums.
KATARZYNA KOZYRA geht an das Thema Freiheit anders heran. In dem Diptychon „CZERWIŃSKI II” zeigt sie die Gestalt eines misshandelten Mannes, der in Embryohaltung auf den Symbolen Rotes Kreuz und Halbmond liegt. Es ist eine weitere Variante ihrer bekannten Arbeit „Blutsbande”, die eine Reflexion über den Balkankrieg ist. Die Fotografien zeigen das Drama eines Menschen auf, der unfreiwillig in die Kriegshandlungen verwickelt ist, aber auch, mehr universell, das Drama der zufälligen Opfer. Leid ist nicht gegengewertet durch die Hilfe der humanitären Hilfsorganisationen, die oftmals auch in die Ideologien verwickelt sind. In einer Wirklichkeit, die mit religiösem Fanatismus durchsetzt ist, ist der Mensch nur so viel wert wie die Kohl- und Blumenkohlköpfe, die um Czerwiński herum „drapiert“ sind.
Ein Beispiel für das „menschliche Gesicht“ in der feministischen Kunst ist die Arbeit von ELŻBIETA JABŁOŃSKA. Das Triptychon „SUPERMUTTER“ bezieht sich zweifellos auf den Begriff „Polnische Mutter“, der in sich selbst Ironie und Frohsinn enthält. Drei Fotografien zeigen die Autorin in den Räumen ihrer Wohnung mit ihrem Sohn auf dem Schoß. Die Mutter nimmt die Gestalt der Superhelden der Popkultur an: Superman, Batman, und Spiderman. Das Idealbild der Frau, die neben der Notwendigkeit, die häuslichen und beruflichen Pflichten zu bewältigen, jeden Tag auch noch ein schönes, lächelndes Gesicht zeigt, stundenlang mit dem Kind spielt und zudem seine tief versteckten Träume realisiert, ist ein recht universales Erwartungsmodell. Außer den Figuren der Popkultur übernimmt Jabłońska aber auch Elemente der christlichen Ikonographie – ihre „Supermutter“ adaptiert Posen, die charakteristisch sind für Darstellungen der Madonna mit Kind – was ihr eine besondere Bedeutung verleiht.
Einen separaten Platz in der Ausstellung nehmen die Kunstwerke ein, die einen direkten Bezug zur Weiblichkeit aufweisen:
Das von MARZANNA MOROZEWICZ in eigener Technik aus Packpapier mit Rosenmotiv kreierte „SELBSTBILDNIS“, das auf einem hohen rosafarbenen Postament steht, scheint eine Affirmation der Weiblichkeit zu sein, ein Ausdruck der Selbstakzeptanz. Das „Selbstbildnis“ bildet den unteren Teil des Gesichts der Künstlerin, die Kinnkontur und den Hals ab – als Ausdruck der Andeutung, aber nicht der Unsicherheit. Es strahlt Würde und innere Harmonie aus.
Jede der „BLUMEN“ von MAŁGORZATA MARKIEWICZ ist die Spur einer intimen Performance – einer persönlichen Geste der Künstlerin. Am Platz des Ausziehens zurückgelassen, bilden die Elemente der Kleider eine ästhetische Form, die an eine Blume erinnert. Es ist eine Art von Spiel mit dem Zuschauer und mit seinen erotischen Assoziationen, eine Art von Versuchung. Aber gleichzeitig zeigen sie Abwesenheit, und können als verlassene Maske, als Vorhang an-gesehen werden. Ohne den Körper erregen sie unsere Vorstellungskraft, gebieten uns mehr zu vermuten, als wir in Wirklichkeit sehen könnten.
Während in den Arbeiten von Markiewicz der Körper abwesend ist, bringt GRZEGORZ KLAMAN mit „KATABASIE“ wirkliche Körperteile in die Kunst ein – Präparate von einem Auge, einer Zunge und einem Ohr. Er behandelt sie wie Gegenstände, was angesichts der Fortschritte in der Medizin als verständliche und begründete Maßnahme erscheint: So wie die Teile des Motors sich zu einem Mechanismus zusammenfügen, so bilden die Teile eines Körpers einen funktionierenden „menschlichen Mechanismus”. Aber das bedeutet nicht, dass Klaman die Teile des Körpers nicht hoch achtet, im Gegenteil: Er bewahrt sie in „Sarkophagen”, beleuchtet sie und gibt ihnen den besonderen Charakter des Exponats.
In seiner Arbeit „OBJEKTE DES SEINS” wirft KONRAD KUZYSZYN ähnliche Probleme auf. In den lichtdurchströmten Fotos, die mit großer Sorgfalt im Innern eines Medizinschrankes untergebracht sind, erkennen wir die Körperteile als Objekte der Schönheit von ästhetischer Bedeutung.
Zwei Filme ergänzen die Ausstellung:
„VIDEOCLIP“ von PAWEŁ ALTHAMER, eine Reflexion über die Condition der jungen Genera-tion in Polen, über ihre Perspektiven für die Zukunft und ihre Vorstellungen.
„UNSER LIEDERBUCH” von ARTUR ŻMIJEWSKI zeigt polnische Juden, die seit vielen Jahren in Israel wohnen. Am Ende des Lebens erinnern sie sich an patriotische und lyrische polnische Lieder, die sie während ihrer Kindheit in Polen erlernt haben.
In beiden Filmen haben wir so etwas wie einander gegenüberstehende, fragmentarische Bilder von Polen: Seine Zukunft, die mit den Augen der jungen Leute nicht immer optimistisch gesehen wird, und den Teil Polens, der zusammen mit den alten Leuten weggeht, die selbst über so viele Jahre hinweg außer Landes einen Teil der polnischen Kultur bewahrt haben.
Kunst der Freiheit. Freiheit in der Kunst
Polish Freedom Weekend
17
11.2024
Geschichte & Diskussionen, Gespräch, Kunst, Theater und Tanz