17.03.2016 Geschichte & Diskussionen

Museum der Polen, die Juden gerettet haben

 

Do 17.03.2016 17.15 Uhr
Markowa, Woivodschaft Podkarpackie, Polen

Am 17. März 2016 eröffnete das Museum der Polen, die während des Zweiten Weltkriegs Juden gerettet haben, in Markowa seine Pforten. Es trägt den Namen der Familie Ulma und würdigt jene Polen, die während des Zweiten Weltkriegs unter der deutschen Besatzung Juden zu retten versucht bzw. gerettet haben. Das Museum wurde im Dorf Markowa (Karpatenvorland) errichtet, wo deutsche Feldjäger am 24. März 1944 acht Juden aus den Familien Szall und Goldman ermordet haben. Ebenso wurde auch die gesamte Familie Ulma, bei der diese acht Menschen versteckt waren, hingerichtet: Józef Ulma und seine hochschwangere Frau Wiktoria sowie die sechs Kinder der Familie, darunter auch die älteste, achtjährige Tochter Stasia.

Die feierliche Eröffnung des neuen Museums fand statt im Beisein des polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda und zahlreicher ausländischer Gäste. 

Vorrangiges Ziel des Museums ist das Gedenken an und die Verbreitung des Wissens über jene Polen, die während der deutschen Besatzung der vom Dritten Reich zur Vernichtung verurteilten jüdischen Bevölkerung, – trotz der dafür drohenden Todesstrafe – Hilfe geleistet haben.

Das Museum in Markowa ist somit die erste Einrichtung dieser Art in Polen, die allen Juden rettenden Polen gewidmet ist. Bisher existierte in Polen keine Institution, die im breiten Kontext und auf systematische Weise Menschen vorstellen würde, die ihren jüdischen Mitbürgern zur Hilfe eilten. 

Im Museum werden u. a. Fotos präsentiert, die durch Józef Ulma gemacht wurden und Markowa und seine Einwohner in der Vorkriegszeit und während des Zweiten Weltkriegs zeigen (Dauerausstellung). In den Sammlungen sind auch mehrere Originalfotos zu finden, darunter einige mit dem Blut von Opfern des deutschen Verbrechens vom 24. März 1944 beschmierte Bilder. Ebenso befindet sich in den Museumssammlungen auch die Tür mit den Einschusslöchern, die während der Hinrichtung der Familie Baranek, die ebenfalls Juden Hilfe geleistet hatte, entstanden sind. Darüber hinaus werden auch die Schicksale von Polen gezeigt, die während des Zweiten Weltkriegs Juden Hilfe geleistet haben. Überdies schildern die ausgestellten Exponate die polnisch-jüdischen Beziehungen in der Vorkriegszeit, während der deutschen Besatzung sowie in der Nachkriegsperiode. In Zukunft sind auch Filmvorführungen, Unterrichtsbesuche für Jugendliche, Diskussionen und wissenschaftliche Konferenzen geplant. Das Museum möchte auch Jugendliche aus Israel zu Bildungsprogrammen einladen. 

Eine der Ideen der Museumsgestalter besteht darin, anderen Menschen gegenüber eine positive Einstellung zu propagieren, daher sind auch Treffen mit Polen, die während des Zweiten Weltkriegs Juden gerettet haben, und mit ihren Familien vorgesehen. Außerdem werden Dokumentationsarbeiten geführt – es werden (schriftliche oder mündliche) Berichte von lebenden Zeitzeugen der Vernichtung der Juden und ihrer Rettung durch Polen gesammelt, ebenso wie derjenigen, deren Tätigkeit von der Einstellung der Gerechten unter den Völkern inspiriert wurde.

Laut Meinung von Historikern wurden in der Zeit der deutschen Besatzung ca. 2900 Juden von mindestens 1600 Polen aus dem Gebiet der heutigen Woiwodschaft Karpatenvorland versteckt gehalten. Die Deutschen ermordeten in diesem Gebiet ca. 200 Polen, die Juden gerettet hatten. Im Unterschied zu den Westeuropäischen Ländern drohte in dem durch das Dritte Reich besetzten Polen für jede Hilfeleistung an Juden die Todesstrafe. Dennoch halfen ihnen viele Polen, die selbst an die grausamste Repressionsmaßnahmen seitens der deutschen Okkupanten ausgesetzt waren, und setzten zusätzlich damit nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das Leben ihrer ganzen Familie aufs Spiel. Viele von ihnen wurden nach dem Krieg durch das Institut Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Gegenwärtig beträgt die Zahl der ausgezeichneten Polinnen und Polen rund 6500 Personen, es ist die größte Gruppe, die mit diesem Ehrentitel ausgezeichnet wurde.

Kurze Geschichte der Familie Ulma und der Familien Didner, Grünfeld und Goldman

Józef Ulma wurde am 2. März 1900 in Markowa geboren. Er besuchte eine lokale Grundschule und dann einen Agrarkurs in Pilzno. Er befasste sich mit Gartenbau, Bienen- und Seidenspinnerzucht sowie mit Buchbinderei. Aus Leidenschaft war er aber Fotograf. Ulma hat tausende Fotos gemacht, die das Leben der Einwohner von Markowa dargestellt haben, darunter bei Hochzeiten, Taufen, Theateraufführungen. Er war Mitglied der katholischen Jugendorganisation und später im Verband der Ländlichen Jugend der Republik Polen „Wici“ tätig, wo er als Bibliothekar und Vorsitzender der Gartensektion arbeitete.

Wiktoria Ulma, geborene Niemczak, wurde am 10. November 1912 in Markowa geboren. Nach Abschluss der lokalen Grundschule in Markowa besuchte sie Kurse an der Volkshochschule in Gać. Überdies trat sie im Amateurtheater in Markowa auf.

Józef und Wiktoria heirateten im Jahre 1935. Im Laufe ihrer neunjährigen Ehe hatten sie sechs Kinder: Stanisława (geb. 1936), Barbara (geb. 1937), Władysław (geb. 1938), Franciszek (geb. 1940), Antoni (geb. 1941) i Maria (geb. 1942).

Während der deutschen Besatzung, sicherlich gegen Ende 1942, versteckte die Familie Ulma trotz Armut und Lebensgefahr acht Juden: Saul Goldman und seine vier Söhne (ihre Namen sind nicht bekannt – in Markowa nannte man sie: die Schallas), zwei Töchter und die Enkelin von Chaim Goldman aus Markowa, Lea/Layka Didner mit ihrer Tochter und Genia/Golda Grüngeld.

Das Versteck von Juden bei der Familie Ulma wurde den Deutschen vermutlich durch einen polnischen Polizisten des Generalgouvernements aus Łańcut verraten. Am 24. März 1944 kamen fünf deutsche Feldjäger und einige Polizisten des Generalgouvernements vor das Haus der Familie Ulma. Der Kommandant war Oberleutnant Eilert Dieken. Zunächst wurden die Juden ermordet, dann Józef und die im siebenten Monat schwangere Wiktoria. Danach beschloss Dieken, auch die Kinder zu erschießen. In wenigen Minuten kamen 17 Menschen ums Leben.

Die Familie Ulma wurde auf dem Friedhof in Markowa beigesetzt. Die Juden, die gemeinsam mit ihnen ermordet wurden, ruhen auf dem Friedhof in Jagiełła (dem Ort der Beisetzung von 41 weiteren Holocaustopfern aus Markowa).

Im etwa 4500 Bewohner zählenden Dorf Markowa war die Familie Ulma nicht die einzige, die Juden versteckt hielt. Zumindest 20 Juden aus diesem Ort überlebten die deutsche Besatzung in fünf Bauernhäusern. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Markowa ca. 120 Juden.

Im Jahre 1995 wurden Wiktoria und Józef Ulma vom israelischen Gedenkinstitut Yad Vashem posthum mit dem Titel „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. In 2003 wurde in der Diözese Przemyśl der Seligsprechungsprozess der Familie Ulma eingeleitet. In 2004 wurde in Markowa ein Denkmal enthüllt, das an diese heldenhaften Menschen und ihre Schützlinge erinnert. In 2010 hat der damalige Staatspräsident der Republik Polen, Lech Kaczyński die Familie Ulma mit dem Kommandeurskreuz des Ordens Polonia Restituta ausgezeichnet. Im Jahr 2013 hat das Gedenkinstitut Yad Vashem auf seiner Webseite festgestellt:

„Das Verbrechen an der Familie Ulma – als die ganze Familie gemeinsam mit den versteckten Juden ermordet wurde – ist zu einem Symbol der polnischen Aufopferung und des polnischen Martyriums während der deutschen Besatzung geworden“.

Alljährlich kommen tausende Menschen – Pilger, Jugendliche, darunter viele Israelis (etwa 5000) nach Markowa, um der Familie Ulma die Ehre zu erweisen.
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