Der Zakopane-Stil in der polnische Architektur. Herkunft und Gegenwart
Mittwoch, 26.09.2018, 18.00 Uhr
Polnisches Institut Düsseldorf, Citadellstr. 7
Zbigniew Moździerz, Hauptkonservator der Baudenkmäler, Tatra-Museum in Zakopane
Begleitprogramm zur Ausstellung „Witkacy. Ein genialer Hooligan“
Der Zakopane-Stil ist eine Strömung in der polnischen Architektur und angewandten Kunst, die in den 1890er Jahren von Stanisław Witkiewicz begründet wurde. Den Ausgangspunkt für die Schaffung eines neuen Stils war die Volkskunst der Region Podhale, insbesondere die Baukunst der Hochlandregion. Nach Witkiewiczs Auffassung hatte diese Kunst – die früher in ganz Polen verbreitet gewesen sei – dank der geographischen Isolation am Fuße der Tatra überlebt. Auf dieser grundlegend falschen These wurde um die Jahrhundertwende der Zakopane-Stil als Nationalstil propagiert. Im Endeffekt war es der erste polnische Nationalstil, der über theoretische Überlegungen und Postulate hinausging und nicht nur in Zakopane und Podhale, sondern auch in anderen Städten wie Wisła, Anin, Konstancin, Przyborów, Łańcuchów, Warschau und sogar in Saldutiškis in Litauen in der Praxis realisiert wurde.
Den Anstoß zur Erarbeitung eines einheimischen Stils bildete für Witkiewicz die von ihm in Zakopane beobachtete Entwicklung der Villenarchitektur im Schweizer Stil nach dem Vorbild der Tiroler Holzhäuser, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Kurorten der Karpaten und anderen Ferienorten verbreitet waren. Die Fassaden der Gebäude im Schweizer Stil waren in der Regel schmuckvoll mit Holz vertäfelt und besaßen eine charakteristische Dekoration, die aufwendig in der Platte ausgeschnitten war. Witkiewicz störte die – seiner Ansicht nach – fremde Form der Villen und Pensionen, die neben den typischen Goralen-Höfen gebaut wurden und nicht so gut mit der Landschaft der Tatra harmonierten wie die einheimischen Gebäude. In Zeitungsartikeln und kritischen Texten propagierte er den Bau von Gebäuden im „Goralen-Stil“.
Witkiewiczs Absicht war es, das Podhale-Haus zu einer Villa „auszubauen“ und – wie er betonte – gemäß den „höheren, vollkommeneren Lebensbedürfnissen“ weiterzuentwickeln. Das Ergebnis war eine Architektur mit charakteristischen Merkmalen: hoher Steinsockel, freie Blockwände, halbgiebliges Schindeldach, Dekoration im Stil der Podhale-Ornamentik sowie stilvolle Interieurs. Zu den bekanntesten Gebäuden im Zakopane-Stil gehören neben der Villa „Koliba“ die Villa „Pod Jedlami“ in Koziniec und die Uznański-Kapelle in Jaszczurówka. Auch das gemauerte Hauptgebäude des Tatra-Museums folgt dem Zakopane-Stil.
Der Bau von „Koliba“, dem ersten Haus im Zakopane-Stil und die Errichtung des Hauptgebäudes des Tatra-Museums als letztem Bauwerk dieses Stils markieren den Zeitrahmen für die Existenz und die Entwicklung des ersten polnischen Nationalstils. Beide Gebäude wurden von Stanisław Witkiewicz entworfen.
Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann