6.09.2023 - 30.09.2023 Film, Filmreihe

Jerzy Skolimowski – Retrospektive zum 85. Geburtstag des Regisseurs

Die Retrospektive umfasst neun Filme, polnische sowie internationale Produktionen.

Jerzy Skolimowski – Retrospektive zum 85. Geburtstag des Regisseurs

06. – 30. September 2023

Black Box Kino im Filmmuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf, Schulstr. 4, 40213 Düsseldorf, Tel.: 0211 8992232

Jerzy Skolimowski, geb. 1938, Dichter, Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur und Maler, studierte Regie an der Filmhochschule Łódź/ Lodz. Zuvor lebte er in der Tschechoslowakei, wo seine Mutter als Kulturattaché an der polnischen Botschaft in Prag tätig war. Er besuchte die Grundschule zusammen mit seinem späteren Regie-Kollegen Miloš Forman und mit Vaclav Havel, der nach dem Ende des Kommunismus tschechischer Präsident wurde. Während seines Studiums schrieb Skolimowski Drehbücher für „Niewinni czarodzieje“ („Die unschuldigen Zauberer“, 1960) von Andrzej Wajda und „Nóż w wodzie“ („Das Messer im Wasser“, 1962) von Roman Polański. Skolimowski debütierte mit einer originellen Trilogie: „Rysopis“ (1964), „Walkower“ (1965) und „Bariera“ (1966). Diese Filme waren ganz im Zeichen der Nouvelle Vague, im Stil von François Truffaut und Jean-Luc Godard, sowie des Kinos von Miloš Forman und Jiří Menzel gedreht. Seine ersten Regiearbeiten zeigen einen jungen, unangepassten Mann, der ein komplexes Panorama der Verweigerung und Entfremdung inszeniert. Der berühmte Jazzkomponist Krzysztof Komeda schrieb Musik für einige Filme Skolimowskis. Auf der Suche nach größerer künstlerischer Freiheit drehte der Regisseur ab Mitte der 1960er-Jahre immer wieder im Ausland und verließ Anfang der 1980er-Jahre schließlich das kommunistische Polen. Mit der belgischen Produktion „Le Départ“ (1967) mit Jean-Pierre Léaud und den britischen Produktionen „Deep End“ (1970) und „Moonlighting“ (1982) wurde Skolimowski international bekannt und erhielt zahlreiche Auszeichnungen auf den Festivals in Berlin, Venedig und Cannes. Anschließend ging er in die USA und widmete sich der Malerei. 2008 kehrte er nach Polen zurück, wo er weiterhin Filme dreht. Das Spätwerk des heute 85-Jährigen hat nichts von seiner überschwänglichen Experimentierfreude eingebüßt. Mit „EO“ (2022) schuf er eines der besten Werke seiner bereits legendären Karriere. 2016 wurde Jerzy Skolimowski in Venedig mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Jeremy Irons sagte über den Preisträger, er sei einer der jüngsten Regisseure im Geiste, immer „hungrig“ nach Experimenten. Die Retrospektive umfasst neun Filme, polnische sowie internationale Produktionen.

Filmprogramm und Termine: 

MI 6.9. 20.00 | SO 10.9. 15.00 – IO / EO

DO 7.9. 20.00 – 11 MINUT / 11 MINUTEN

FR 8.9. 21.15 | FR 15.9. 19.00 – ESSENTIAL KILLING

SO 10.9. 17.00 | FR 15.9. 21.00 – MOONLIGHTING /·SCHWARZARBEIT

SO 17.9. 15.00 | FR 22.9. 19.00 – DEEP END mit Einführung von Daniel Kothenschulte

FR 22.9. 21.00 | SO 24.9. 15.00 – LE DÉPART /·DER START

SO 24.9. 17.00 – BARIERA / BARRIERE

DI 26.09. 20.00 – NÓŻ W WODZIE / DAS MESSER IM WASSER mit Einführung von Lidia Helena Jansen

SA 30.9. 20.00 – RĘCE DO GÓRY / HÄNDE HOCH

Eine gemeinsame Veranstaltung des Polnischen Instituts Düsseldorf und des Filmmuseums der Laudeshauptstadt Düsseldorf.

 

IO / EO PL·GB·I 2022, 88 min OmU 

Ein Esel steht im Mittelpunkt von Jerzy Skolimowskis neuestem Film: Die Welt ist ein geheimnisvoller Ort, wenn man sie mit den Augen eines Tieres betrachtet. Ein grauer Esel mit melancholischen Augen begegnet auf seinem Lebensweg guten und schlechten Menschen, erlebt Freude und Schmerz, erträgt sein Schicksal, das sein Glück in Unglück und seine Verzweiflung in unerwartete Glückseligkeit verwandelt. Doch nicht für einen Moment verliert er seine Unschuld. „EO“, der in Cannes den Jurypreis gewann, ist eine Hommage und zugleich eine Neuinterpretation von Robert Bressons Film „Au hazard Balthasar“ (1966), den Skolimowski nach eigenen Angaben über alles liebt.

R: Jerzy Skolimowski B: Ewa Piaskowska, Jerzy Skolimowski K: Michał Dymek D: Isabelle Huppert, Sandra Drzymalska, Lorenzo Zurzolo u.a.

 

11 MINUT / 11 MINUTEN P·IL 2015, 79 min OmeU

Der Titel „11 Minuten“ beschreibt das kurze Intervall, in dem die Leben verschiedenster Charaktere für einen Moment miteinander verknüpft sind. Die gesamte Handlung, angesiedelt in Warschau, beschränkt Jerzy Skolimwoski auf diese 11 Minuten, indem er mit Hilfe einer experimentellen Erzählstruktur die Perspektiven der Protagonistinnen und Protagonisten auf geschickte Weise miteinander verwebt. Die dynamische Kameraführung ist äußerst intensiv und die schnellen Schnitte verstärken den hektischen Rhythmus des Films, der menschliche Beziehungen unter den Prämissen Zeit und Zufall erkundet – eine faszinierende Mischung aus Suspense, Drama und psychologischer Tiefe.

R/B: Jerzy Skolimowski, K: Mikołaj Łebkowski D: Richard Dormer, Paulina Chapko, Jan Nowicki u.a.

 

ESSENTIAL KILLING PL·N·H· IR 2010, 83 min OmeU

Vincent Gallo in der Rolle des afghanischen Talibankämpfers Mohammed, der während des Krieges gefangen genommen und schließlich nach Europa gebracht wird. Nach einem dramatischen Unfall kann er in die verschneiten Wälder Polens entkommen und versucht, sich in einem feindlichen und unbekannten Land zurechtzufinden, während ihm die US-Armee mit Hubschraubern und Hunden dicht auf den Fersen ist. „Essential Killing“ ist vordergründig ein packender Thriller, der die Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf eine atemlose Flucht quer durch Europa nimmt. Skolimowski vermeidet es dabei, die Geschichte politisch oder moralisch zu gestalten – so bleibt durchgehend unklar, ob es sich bei dem Gejagten um einen Terroristen oder Unschuldigen handelt – und zeigt voller Empathie das universelle, menschliche Drama, das in der Darstellung politischer Konflikte oftmals verborgen bleibt.

R: Jerzy Skolimowski, B: Jerzy Skolimowski, Ewa Piaskowska, James McManus K: Adam Sikora, D: Vincent Gallo, Emmanuelle Seigner, Nicolai Cleve Broch u.a.

 

MOONLIGHTING / SCHWARZARBEIT GB 1982, 97 min OF

Vier polnische Arbeiter, die illegal in London leben und arbeiten, sind von der Regierungsbürokratie enttäuscht und beschließen, ihr Einkommen aufzubessern: Auf eigene Faust renovieren sie ein Haus, um es zu vermieten. Jerzy Skolimowski stellt politische Fragen, indem er das menschliche Schicksal ins Zentrum seiner Geschichte stellt. Mit seiner Kritik an Bürokratie, der politischen Klasse und feindlichem Verhalten gegenüber Fremden verhandelt er auf einfühlsame Weise ein Thema, das weiterhin relevant ist und bleiben wird: Überleben in einem fremden Land. Die Renovierung des Hauses verwendet Skolimowski als Metapher für die Regeneration des menschlichen Geistes und der Seele. Der Film erhielt den Goldenen Bären der Berlinale im Jahr 1982. „Kein sozialkritisches Lehrstück, vielmehr eine tragikomische Etüde vom Feinsten und Intellektuellsten. Auf keinen Fall versäumen!“ (Viennale Katalog, 2015)

R/B: Jerzy Skolimowski, K: Tony Pierce-Roberts D: Jeremy Irons, Jirí Stanislav, Eugene Lipinski u.a.

 

DEEP END GB·BRD 1970, 90 min OmU

Einführung am 22.9.: Daniel Kothenschulte (Filmwissenschaftler, Filmkritiker und Kurator)

Der jugendliche Mike nimmt einen Job als Bademeister in einem öffentlichen Schwimmbad in London an. Dort verliebt er sich in die ältere Mitarbeiterin Susan. Der Film ist eine ebenso intensive wie surreale Darstellung von Mikes sexueller Obsession für die Kollegin und seiner daraus resultierenden Verzweiflung. Die faszinierende und unkonventionelle Mischung aus Coming-of-Age-Geschichte, romantischer Tragikomödie und schwarzer Groteske schafft es, eine düstere und unheimliche Atmosphäre zu erzeugen, indem sie das Schwimmbad als einen beklemmenden, fast klaustrophobischen Ort inszeniert, der die geheimen Wünsche und Abgründe seiner Charaktere ans Licht bringt. Das Schwimmbad wird für Mike so zu einem Ort der Isolation und Verwirrung.

R: Jerzy Skolimowski, B: Jerzy Gruza, Jerzy Skolimowski, Boleslaw Sulik K: Charly Steinberger D: Jane Asher, John Moulder-Brown, Karl-Michael Vogler u.a.

Mit freundlicher Unterstützung der Bavaria Media GmbH.

 

LE DÉPART /·DER START  B 1967, 93 min DF 35mm

Der Brüsseler Friseurlehrling Marc träumt von seinem ersten Autorennen und trainiert heimlich mit dem Porsche 911 S seines Chefs. Immer unter Hochspannung, kann er an nichts anderes als an schnelle Autos denken, bis er am Vorabend des Rennens einer neuen Liebe begegnet. Der Soundtrack von Krzysztof Komeda entspricht der experimentellen Form des Films: Er komponierte nicht nur die Musik, sondern auch die gesamte Geräuschkulisse. So verband er Free Jazz mit Elementen klassischer Musik, benutzte Jump Cuts und integrierte Lärmelemente wie Léauds Schreie in die Klänge von Trompete und Tenorsaxophon.

R: Jerzy Skolimowski B: Andrzej Kostenko, Jerzy Skolimowski K: Willy Kurant D: Jean-Pierre Léaud, Catherine-Isabelle Duport, Jacqueline Bir u.a.

 

BARIERA / BARRIERE  PL 1966, 77 min OmU

„Es gibt noch romantische Taten in unserer zynischen und ideenlosen Generation.“ Der junge, namenlose Protagonist wagt einen solchen „revolutionären Akt“. Er bricht sein Studium ab, weil er sich nicht weiter an den Staat verkaufen will, von dem er bisher ein Stipendium erhalten hat. Er will schon jetzt seine Lebensziele verwirklichen, die sich später sowieso darauf beschränken werden, eine reiche Frau zu heiraten, einen Opel zu fahren und eine Luxusvilla zu besitzen. In der Osterzeit begibt er sich mit einem leeren Koffer auf eine Reise, auf der er hofft, die Barrieren zu überwinden, die ihn vorerst von seinem Ziel trennen. Es folgt eine Collage mit stilisierten und surrealistischen Szenen voller Symbolik. Er trifft seinen Vater, von dem er einen Säbel erhält, eine Rentnergruppe ehemaliger Kriegshelden, oder auf gemästete Gänse… Er begegnet auch einem Mädchen, das andere Ideale hat und ihn dazu veranlasst, seine Einstellung zum Leben zu überdenken.

R/B: Jerzy Skolimowski K: Jan Laskowski D: Jan Nowicki, Joanna Szczerbic, Tadeusz Łomnicki, Andrzej Herder u.a.

 

NÓŻ W WODZIE / DAS MESSER IM WASSER PL 1962, 90 min DF 35mm

In der Reihe Stationen der Filmgeschichte

Einführung am 26.09.: Lidia Jansen (Filmexpertin, Polnisches Institut Düsseldorf)

Andrzej und seine Frau wollen ein Wochenende auf ihrem Segelboot auf der Masurischen Seenplatte verbringen. Auf dem Weg dorthin nehmen sie einen jungen Anhalter mit. Es entwickelt sich eine psychologische Dreiecksgeschichte, die gleichzeitig gesellschaftliche Dynamiken und die Abhängigkeitsverhältnisse innerhalb einer Beziehungen seziert. „Nóż w wodzie“ ist ein Schlüsselfilm des polnischen Kinos und bedeutete den künstlerischen Durchbruch von Roman Polański. In Polen stand der Regisseur unter Beobachtung der Geheimpolizei. Die Parteiführung sah den Film aufgrund seiner scharfen politischen Analyse äußerst kritisch und diskreditierte „Nóż w wodzie“ als „intellektuell flach“ und zugleich als „gesellschaftlichen Zündstoff“. International war der Film jedoch ein Überraschungserfolg. Der Film gewann den FIPRESCI-Preis bei den Filmfestspielen in Venedig, wurde als Bester fremdsprachiger Film für einen Oscar nominiert und landete auf dem Cover des Times-Magazin.

R: Roman Polański B: Roman Polański, Jakub Goldberg, Jerzy Skolimowski K: Jerzy Lipman D: Leon Niemczyk, Jolanta Umecka, Zygmunt Malanowicz u.a.

 

RĘCE DO GÓRY / HÄNDE HOCH  PL 1967/81, 76 min OmU

Nach vielen Jahren treffen sich alte Freundinnen und Freunde aus dem Medizinstudium wieder. Nur einer fehlt. Stattdessen schickt er ihnen eine Einladung, und sie beschließen, ihn zu besuchen. Da keine Personenzüge mehr fahren, steigen sie in einen Güterzug. Es entwickelt sich eine Art Psychodrama. Die Freunde benennen sich nach den Automarken, die sie besitzen: Alfa-Romeo, Opel, Wartburg. Es stellt sich heraus, dass all ihre Träume, ihre persönlichen und beruflichen Ambitionen, unerfüllt geblieben sind. Sie erinnern sich an ihre Studienzeit. Sie galten als politische Provokateure und Feinde des Kommunismus, und wurden verurteilt. „Ręce do góry“ ist eine surreale Satire auf den Materialismus der 1960er-Jahre, die zugleich auf die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und des Stalinismus zurückblickt. Die kommunistische Zensur verbot den 1967 produzierten Film. Dennoch drehte Skolimowski 1981 nachträglich einen Prolog, der u.a. seine Rolle als Filmemacher untersucht und ein Gespräch mit Volker Schlöndorff enthält. Der ursprüngliche Film kam 1985 verspätet in die Kinos, allerdings ohne den Prolog. Der Film wird in seiner vollständigen Fassung gezeigt.

R/B: Jerzy Skolimowski K: Witold Sobociński, Andrzej Kostenko, D: Jerzy Skolimowski, Joanna Szczerbic, Tadeusz Łomnicki, Adam Hanuszkiewicz u.a.

Weitere Infos: Polnisches Institut Düsseldorf, Citadellstr. 7, 40213 Düsseldorf, Tel.: 0211 866 96 14

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Plakat der Jerzy Skolimowski-Filmreihe, ©#plakiat Maks Bereski
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