„Das war ziemlich lange unterwegs, nicht wahr?“ 🗺
Vortrag und Gespräch mit Krischan Bockhorst (Doktorand, Universität Leipzig)
„Westpakete“ schickten Menschen aus der Bundesrepublik nicht nur in die DDR. Eine beachtliche Anzahl dieser Sendungen ging in den 1980er-Jahren auch nach Polen – wenn auch nicht unter diesem Namen. Krischan Bockhorst untersucht dieses Phänomen in seiner Promotion an der Universität Leipzig.
Als Anfang der 1980er-Jahre im von Wirtschafts- und Versorgungskrisen gebeutelten Polen die Solidarność als offizielle Gewerkschaft gegründet und anerkannt wurde, schien der Eiserne Vorhang Risse zu bekommen und die Vorherrschaft der Sowjetunion in dem sozialistischen Land gebrochen. Mit der Ausrufung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 durch die neue Militärregierung unter Wojciech Jaruzelski stoppte die Demokratiebewegung vorläufig. Gleichzeitig waren mehr als 300.000 Polen über Nacht in der Bundesrepublik festgesetzt. Sie suchten Wege, ihren Verwandten Geschenke, Hilfsmittel, Kleidung und Medizin zukommen zu lassen. Unter dem Aktionsbegriff „Polen-Hilfe“ gingen 1982 mehr als 8,2 Millionen Pakete von der Bundesrepublik nach Polen.
Auch die DDR-Führung regte zunächst Hilfsgüterlieferungen an und startete eine eigene Paketaktion. Später taten sich neue Lücken im Eisernen Vorhang auf: Im Rahmen offizieller humanitärer Hilfe schmuggelten Kirche und Solidarność-Unterstützer Druckplatten, Literatur, Geld und Mikrochips aus der DDR nach Polen.
Der fehlende Rückhalt in der Sowjetunion, die hohe Staatsverschuldung, Sanktionen der USA und die am Boden liegende polnische Wirtschaft zwangen die Militärregierung im Verlauf der 1980er-Jahre, wirtschaftliche Unterstützung des Westens zu suchen. Sie bedeuteten das Ende des Eisernen Vorhangs. Dieser fiel bereits am 1. Januar 1989 als der polnischen Bevölkerung der Reisepass und damit auch der uneingeschränkte Zugang unter anderem nach West-Berlin und Österreich zugesichert wurde.
Der sich ständig wandelnde Paketverkehr und seine Infrastrukturen spiegeln den Öffnungsprozess Polens hin zum Westen wider. Die damit einhergehenden Veränderungen sind zwar am eindrucksvollsten in Polen (und der DDR) zu beobachten, dennoch waren auch in Westdeutschland Institutionen, wie die Deutsche Bundespost, von dem Wandel betroffen.
Die Veranstaltung ist Teil der Reihe „Werkstattgespräche zur Zeit/Geschichte“. Regelmäßig stellen Studierende und Absolventinnen bzw. Absolventen des Historischen Seminars der Universität Leipzig ihre Forschungsprojekte außerhalb des akademischen Raums zur Diskussion. Besucherinnen und Besuchern eröffnet die Reihe neue Perspektiven auf die universitäre Forschung und lädt zum Mitdiskutieren ein.
Krischan Bockhorst (geb. in Münster) lebt und arbeitet in Leipzig. Er studierte Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Leipzig und schließt seine Promotion zum Thema „Intrastruktur in Transition. How the parcel traffic between the FRG and PRL challenged the Iron Curtain” am Sonderforschungsbereich 1199 ab. Ein besonderes Interesse liegt dabei auf der Erforschung der Transformationszeit und dem Herausarbeiten von komplexen globalen Prozessen anhand von Alltagspraktiken und Infrastrukturen.
Veranstalter: Zeitgeschichtliches Forum Leipzig in Kooperation mit dem Historischen Seminar der Universität Leipzig
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Info: www.hdg.de/zeitgeschichtliches-forum
Eintritt: frei
Ort: Zeitgeschichtliches Forum, Grimmaische Str. 6, 04109 Leipzig