Anioły z Sindżaru / Angels of Sinjar

PL/D/CZ 2022
R/B: Hanna Polak
113 min, OmeU
K: Hanna Polak, Mariusz Marga & Mykhailo Puziurin
S: Marcin Kot Bastkowski
M: Łukasz Pieprzyk

Die nordirakische Stadt Sindschar nahe Mossul ist ein historisches Zentrum der Jesiden, die sich als friedliches und tolerantes Volk betrachten und in deren Glauben es keinen Satan gibt – aber Engel. Doch auf ihrem heiligen Berg stapeln sich zerschossene Autowracks und Sindschar ist ein menschenleeres Trümmerfeld voller Menschenknochen im Wüstensand – Zeugen eines Völkermords, der im August 2014 stattfand und von dem die Welt kaum Notiz nahm. Männer wurden vom IS abgeschlachtet, ihre Frauen und Kinder verschleppt, vergewaltigt und verkauft.

Hanifa Abbas versucht mit allen Mitteln, ihre nach Syrien verkaufte Schwester heimzuholen. Saeed Murad Basee verfolgt am Handy, wie seine Schwester Nadia weltweit für die Strafverfolgung des Völkermords kämpft und dafür den Friedensnobelpreis bekommt. Beide überlebten wie durch ein Wunder die Massaker und verloren den Großteil ihrer Familien. Gemeinsam mit ihnen besuchen die Zuschauer*innen die Orte des Verbrechens, ein Flüchtlingslager mit über 300.000 Einwohner*innen und in alle Welt verstreute Überlebende.

In einer Zusammenstellung aus dokumentierten und von dem Filmteam initiierten Szenen, in denen die Regisseurin immer wieder Teil der Handlung wird, bekommen die Opfer das, was sie so sehr vermissen: die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit, die sich fragen lassen muss, wie solch schwere Verbrechen so wenig Beachtung finden konnten. [Rainer Mende]

Die Dokumentarfilmerin Hanna Polak (geb. 1967 in Katowice) arbeitete erst als Theaterschauspielerin und studierte dann Schauspiel in Wrocław und Warschau sowie Kamera in Moskau. 2004 debütierte sie als Regisseurin mit dem Oscar-nominierten und vielfach preisgekrönten Film „The Children Of Leningradsky“. Seitdem führte sie für insgesamt sechs Filme Regie, von denen sie „Something Better To Come / Yulas Welt“ (2014) und „Anioły z Sindżaru“ auch selbst produzierte.

09.09. / 20:00 / Brotfabrik / zu Gast: Hanna Polak

© Deckert Distribution GmbH


 

W Ukrainie / In Ukraine

PL 2023
R/B: Piotr Pawlus & Tomasz Wolski
82 min, OmeU
K: Piotr Pawlus
S: Tomasz Wolski

Gemächlich kriecht der Alltag in der Stadt vor sich hin. Menschen gehen spazieren, telefonieren, erledigen Einkäufe, machen Selfies. Es fahren Autos herum, im Straßengraben liegt etwas Müll. Moment mal, ist der Blechhaufen da nicht ein Panzerwrack? Und dort, an diesem Haus, sind das nicht Einschusslöcher? Langsam, fast unmerklich schieben sich Signaturen des Krieges ins Bild, bis man sie nicht mehr übersehen und überhören kann – erst Ruinen und Krater, dann Sirenen, ein dunkles Dröhnen und der dumpfe Einschlag von Geschossen, bis die Zuschauer*innen schließlich geduckt in einem Versteck sitzen, während über ihren Köpfen die Geschosse pfeifen.

Die Regisseure zeigen uns an einem Fallbeispiel aus der Ukraine durch meisterhaften Schnitt, dass der Krieg, den wir unterbewusst als permanenten Ausnahmezustand wahrnehmen, nur einen Schuss vom Alltag entfernt ist. Normalität und bewaffneter Konflikt laufen parallel nebeneinander her, bis sie sich punktuell oder sukzessive kreuzen und ineinander übergehen. Der Krieg, der eben noch weit weg war, tobt auf einmal mitten unter uns. [Rainer Mende]

Tomasz Wolski (geb. 1977 in Gdynia) veröffentlichte als Regisseur zwanzig meist dokumentarische Filme, ist aber auch als Drehbuchautor, Kameramann, Cutter, Toningenieur und Produzent aktiv.

Piotr Pawlus (geb. 1985 in Wadowice) stand für zahlreiche Produktionen hinter der Kamera, bevor er mit dem Kurzfilm „Film dokumentalny“ (2019, mit Katarzyna Warzecha) sein Regiedebüt gab.

08.09. / 20:00 / Brotfabrik

© Kijora Film


 

Syndrom Hamleta / Das Hamlet Syndrom

D/PL 2022
R/B: Elwira Niewiera & Piotr Rosołowski
85 min, OmdU
K: Piotr Rosołowski
S: Agata Cierniak
M: John Gürtler & Jan Miserre

Seit 2014 tobt im Osten der Ukraine der Krieg gegen die russischen Invasoren. Er hinterlässt nicht nur unzählige Gräber und Ruinen, sondern auch tiefe seelische Wunden bei jenen, die lebend davongekommen sind. Fünf von ihnen treffen sich in einem Off-Theater in Lwiw, um unter fachkundiger Anleitung gemeinsam ein Theaterstück einzustudieren. Ziel ist nicht nur eine gelungene Aufführung, sondern vor allem der Weg dorthin – die gemeinsame Auseinandersetzung mit den erlittenen Traumata und der Versuch ihrer Bewältigung.

Bei dem Projekt treffen sehr verschiedene Charaktere einer Generation aufeinander. Jede/r der Protagonist*innen stellt sich die Frage nach Sein oder Nichtsein auf eigene Weise. Slavik hat die Hölle der russischen Gefangenschaft erlebt, Katyas Mutter will ihr nicht verzeihen, dass sie an die Front gegangen ist, Roman kann seine Erlebnisse als Sanitäter nicht verarbeiten, Oxana will nur noch ins Ausland, Rodion ist aus dem Donbas geflohen und zieht jetzt in den nächsten Kampf – gegen Homophobie.

Schauspiel und Film sind eine Versuchsanordnung auf engstem Raum mit all ihren Nebenwirkungen – Euphorie und Niedergeschlagenheit, Kooperation und Konfrontation, Klaustrophobie und Befreiung, Trauma und Bewältigung. Hier wird wenig über den Krieg an sich erzählt, aber viel darüber, was er in den Menschen anrichtet – und das langfristig und unabhängig davon, wo er stattfindet. [Rainer Mende]

Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski drehten bereits gemeinsam die preisgekrönten Dokumentarfilme „Efekt Domina / Domino Effekt“ (2014) und „Książę i dybuk / Der Prinz und der Dybbuk“ (2017), die ebenfalls deutsch-polnische Koproduktionen waren. „Syndrom Hamleta / Das Hamlet Syndrom“ wurde u. a. auf Filmfestivals in Adelaide, Kraków und Opole ausgezeichnet.

07.09. / 20:00 / Brotfabrik / zu Gast: Elwira Niewiera & Piotr Rosołowski
08.09. / 21:00 / K 18 / zu Gast: Elwira Niewiera & Piotr Rosołowski

© Kundschafter Filmproduktion


 

Titelfoto: W Ukrainie / In Ukraine © Kijora Film