Olga Tokarczuk: Empusion
Gespräch mit der Autorin und ihrem Übersetzer Lothar Quinkenstein zur Ratspräsidentschaft der Republik Polen in der Europäischen Union
Dolmetscherin: Karolina Golimowska (Polnisches Institut)
September 1913, Görbersdorf in Niederschlesien. Inmitten von Bergen steht seit einem halben Jahrhundert das erste Sanatorium für Lungenkrankheiten. Mieczysław Wojnicz, Ingenieurstudent aus Lemberg, hofft, dass eine neuartige Behandlung und die kristallklare Luft des Kurorts seine Krankheit aufhalten, wenn nicht gar heilen werden. Die Diagnose allerdings gibt nur wenig Anlass zur Hoffnung: Schwindsucht.
Mieczysław steigt in einem Gästehaus für Männer ab. Kranke aus ganz Europa versammeln sich dort, und wie auf Thomas Manns Zauberberg diskutieren und philosophieren sie unermüdlich miteinander – mit Vorliebe bei einem Gläschen Likör mit dem klingenden Namen „Schwärmerei“. Drängende Fragen treiben die Herren um: Wird es Krieg geben in Europa? Welche Staatsform ist die beste? Aber auch vermeintlich weniger drängende: Ob Dämonen existieren zum Beispiel oder ob man einem Text anmerkt, wer ihn verfasst hat – eine Frau oder ein Mann?
Und mit der „Frauenfrage“ befasst sich diese Herrenriege besonders gern. Auch bietet die kleine Welt von Görbersdorf reichlich Gesprächsstoff: Am Tag nach Mieczysławs Ankunft hat die Frau des Pensionswirts Selbstmord begangen. Überhaupt komme es häufig zu mysteriösen Todesfällen in den Bergen ringsum, heißt es. Was Mieczysław nicht weiß: Dunkle Mächte haben es auch auf ihn abgesehen.
Olga Tokarczuk, 1962 im polnischen Sulechów geboren, studierte Psychologie in Warschau und lebt heute in Wrocław. Ihr Werk – bislang neun Romane und drei Erzählbände – wurde in 37 Sprachen übersetzt. 2019 wurde sie mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Für „Die Jakobsbücher“, in Polen ein Bestseller, wurde sie 2015 (zum zweiten Mal in ihrer Laufbahn) mit dem wichtigsten polnischen Literaturpreis „Nike“ geehrt und 2018 mit dem Jan-Michalski-Literaturpreis. Im selben Jahr gewann sie außerdem den Man Booker International Prize für „Unrast“. Zum Schreiben zieht Olga Tokarczuk sich in ein abgeschiedenes Berghäuschen an der polnisch-tschechischen Grenze zurück.
Lothar Quinkenstein wurde für seine Tätigkeit als Übersetzer 2024 mit dem Karl Dedecius Preis ausgezeichnet, die Societas Jablonoviana ehrte ihn 2017 mit dem Jabłonowski-Preis als Literaturwissenschaftler, Essayisten und Übersetzer.
Die Sächsische Akademie der Künste nahm die Autorin unlängst in ihre Reihen auf. Zur Eröffnung der Lesung wird Prof. Dr. Wolfgang Holler, Präsident der Sächsischen Akademie der Künste, in einem feierlichen Akt die offizielle Urkunde überreichen.
Von Januar bis Juni 2025 hat die Republik Polen die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union inne.
Veranstalter: Polnisches Institut Berlin – Filiale Leipzig, Polnisches Buchinstitut, Sächsische Akademie der Wissenschaften und Societas Jablonoviana e. V., gefördert durch die Europäische Stiftung der Rahn Dittrich Group für Bildung und Kultur
Info: kampaverlag.ch/blog/autoren/olga-tokarczuk, fundacjaolgitokarczuk.org
Eintritt: frei
Ort: Bibliotheca Albertina, Beethovenstraße 6, 04107 Leipzig
Veranstalter des Programms „Leipzig liest polnische Literatur“: Polnisches Institut Berlin – Filiale Leipzig in Kooperation mit dem Polnischen Buchinstitut und weiteren Partnern, unterstützt vom Ministerium für Kultur und Nationales Erbe der Republik Polen sowie dem Adam-Mickiewicz-Institut
Info: www.leipziger-buchmesse.de, www.leipziger-buchmesse.de/de/leipzig-liest
Foto © Łukasz Giza / Kampa Verlag