Wo ist Heimat? Was ist Herkunft? 🗺
Pol*innen und Deutsche im Zwiespalt mit Heimatverlusten in Ostpreußen, Litauen oder dem Baltikum
Diskussion mit Kornelia Kurowska (Borussia Olsztyn), Agata Kern (Ostpreußisches Landesmuseum Lüneburg) und Bernd Karwen (Polnisches Institut Berlin – Filiale Leipzig)
Heimat ist ein großes Thema, für Deutsche wie für Polen. Kontrovers wird es dann, wenn damit Regionen in Polen bezeichnet werden, die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs von Deutschen bewohnt wurden. Lange Zeit machten sich Menschen in Polen Sorgen, dass die einstigen Bewohner Ansprüche auf diese Teile des Landes erheben könnten. Dies bezog sich vor allem auf die Rhetorik westdeutscher Vertriebenenverbände, die in der Propaganda der Volksrepublik Polen aufgenommen und instrumentalisiert wurde. In der DDR wurde das Thema im Wesentlichen verschwiegen. In seinem aktuellen Roman „Das Narrenschiff“ schildert Christoph Hein, dass aber auch im SED-Regime Begehrlichkeiten in Bezug auf Schlesien existierten, derer man Westdeutschland propagandistisch bezichtigte.
Zahlreiche Neuerscheinungen in Polen beschäftigen sich mit diesem Thema. Die Autorinnen und Autoren weiten den Blick, indem sie Heimatverluste jener Polen thematisieren, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus den polnischen Ostgebieten fliehen mussten, die Teil der Sowjetunion wurden. Sie liegen heute in Litauen, Belarus, und der Ukraine. Ihr Erleben wurde nach 1945 zum Tabu und konnte erst nach der Wende 1989/1990 thematisiert und aufgearbeitet werden.
Die Diskutant*innen wollen über einen ausgewogenen Umgang mit dem Thema sprechen, mit Blick auf die gemeinsame Zukunft im Verbund mit Europa und der Europäischen Union.
Die Wurzeln der Familie von Kornelia Kurowska liegen in den polnischen Ostgebieten. Sie leitet die Kulturgemeinschaft „Borussia“ in Olsztyn (Allenstein) – eine NGO, die kurz nach der Wende in der Region Ermland-Masuren, im alten Ostpreußen entstanden ist, wo sich Menschenschicksale von Deutschen und Pol*innen kreuzen. Die Basisinitiative postulierte die Entwicklung einer regionalen Identität unter neuen Bewohner*innen und initiierte einen internationalen Dialog mit alten und neuen europäischen Nachbarn. Zum Paradebeispiel ihrer Tätigkeit wurde der Erhalt und Sanierung des historischen Tahara-Hauses von Erich Mendelsohn in Olsztyn. Heute füllt die Borussia die aufwändig renovierten Räumlichkeiten regelmäßig mit einem interessierten Publikum, das sich genau solchen Fragen widmet. Der Fokus liegt hier auf Menschen polnischer Herkunft, die aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten fliehen mussten. Sie sind nach dem Krieg in die Häuser eingezogen, welche die Deutschen zurückgelassen hatten, die ihrerseits aus Ostpreußen geflohen sind.
Agata Kern wurde in Sztynort (Steinort) in Masuren geboren und arbeitet als Kulturreferentin am Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg. Das Thema der Veranstaltung ist für sie nicht nur beruflich, sondern auch persönlich von großer Bedeutung – ihre Großeltern stammten aus den ehemals polnischen Ostgebieten und kamen 1946 nach Masuren. Mit ihren Projekten – von Veranstaltungen über Schulprogramme bis hin zu Studienreisen nach Polen und ins Baltikum – möchte sie Begegnungen ermöglichen und Raum für offene, ausgewogene Diskussionen schaffen. Angesichts populistischer Tendenzen, welche die trennenden Aspekte der deutsch-polnischen Beziehungen betonen, ist ein solches Engagement heute herausfordernder – und zugleich umso notwendiger.
Bernd Karwen ist Nachkomme von Deutschen, die aus Ostpreußen geflohen sind. Er hat Polen bereits während des Kalten Krieges als Kind bereist und später Sprache wie Literatur des Landes studiert. Heute engagiert er sich im Polnischen Institut Berlin – Filiale Leipzig für den kulturellen Dialog zwischen beiden Ländern. Dank seiner Erfahrungen wird er das Gespräch um den Fokus auf den sächsisch-polnischen Kulturaustausch bereichern.
Veranstalter: Sächsische Landeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit dem Polnischen Institut Berlin – Filiale Leipzig
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Info: slpb.de
Eintritt: frei
Ort: SLpB-Projektbüro, Brückenstr. 10, 09111 Chemnitz