ONLINE / 15 Festivaljahre in Retrospektive und Ausblick
Das Festival filmPOLSKA feiert in diesem Jahr seinen 15. Geburtstag. In den Jahren 2005–2019 haben wir insgesamt 1.550 Filme gezeigt. In 22 in Kinos fanden 1.290 Filmvorführungen statt. 324 Filmschaffende stellten ihre Arbeiten vor. Neue Filme, zahlreiche Retrospektiven, Regie-, Kamera- und Journalist(inn)en-Workshops, Konzerte, Ausstellungen und Sonderveranstaltungen … Auch das Fest des polnischen Kinos zieht sich in die Quarantäne zurück. Wir wollen diese Zeit nutzen, um gemeinsam den Blick auf die Geschichte des Festivals zu richten, einigen Gästen vom damals wieder zu begegnen und sie zu fragen, wie sich bei ihnen das Leben und die Arbeit in Zeiten der Pandemie gestalten.
1 / Izabela Plucińska 2 / Bodo Kox 3 / Anna Jadowska 4 / Filmhochschule „Krzysztof Kieślowski“ in Katowice 5 / Filmowe Podlasie Atakuje! 6 / Krzysztof Zanussi
Nr. 1 / 03.04.2020 Iza Plucińska
Iza (eigetlich Izabela) Plucińska ist nicht nur Stammgast vom filmPOLSKA, sondern gehört seit Jahren auch zum Organisationsteam. Ihre Animationsfilme haben das Publikum immer wieder amüsiert und gleichzeitig in Staunen versetzt. 2018 produzierte die Künstlerin den filmPOLSKA-Trailer und Izas zweites Zuhause – der Kino-Klub K-18 – ist eine ungewöhnliche Festival-Spielstätte, ein Erlebnis für die Filmemacher/innen und ein Geheimtipp für Kinoliebhaber. Wer Izas Werk besser kennenlernen möchte, sollte einen Blick in ihr Studio werfen.
Bodo Kox ist einer der „Großväter“ der unabhängigen Filmszene Polens und zugleich ein treuer Stammgast vom filmPOLSKA. Schon die erste Festivalausgabe wurde mit dem Film „Homo Father“, in dem Kox eine Hauptrolle spielte, eröffnet und fand bald nach seiner Berliner Premiere einen deutschen Verleih. Vorher hatte Kox bereits etliche kontroverse und provokante Kurzfilme gedreht. Seine Kurzfilm-Komödie „Marco P. i złodzieje rowerów / Marco und die Fahraddiebe“ (2005) war eine Liebeserklärung an die Geschichte des Kinos. Kox’ Langspielfilme „Dziewczyna z szafy / Das Mädchen aus dem Schrank“ und „Człowiek z magicznym pudełkiem / Der Man mit der geheimnisvollen Schachtel“ (2017) brachten ihm nicht nur den Durchbruch in der Kino-Szene, sondern zeigten auch erneut sein außergewöhnliches Talent.
Anna Jadowska war nicht nur mit ihren Filmen „Korytarz“ (2004), „Teraz ja“ (2005) und „Dzikie róże / Wild Roses“ (2017) bei filmPOLSKA zu Gast, sondern leitete auch im Rahmen des Festivals den Regie-Workshop „Berlin von Innen“. Ihr cineastische Narration fesselt und verstört zugleich. Jadowska macht keine Kompromisse und serviert nichts Aufgewärmtes. Ihr Kino stiftet Unruhe, rüttelt auf und zwingt zum Nachdenken. Allen, die Polnisch sprechen, empfehlen wir als Vorgeschmack ihres Talents „Korytarz / Der Korridor“, der bei den Filmfestspielen in Cannes lief.
Nr. 4 / 24.04.2020 Filmhochschule „Krzysztof Kieślowski“ in Katowice
Die Filmhochschule in Katowice (www.kieslowski.pl) wurde 1978 gegründet und ist als renommierte künstlerische Kaderschmiede nicht nur in Polen, sondern auch weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt und begehrt. Die Werke ihrer Studierenden und Absolvent(inn)en wurden und werden auf Festivals rund um den Globus gezeigt und prämiert. Zur Jubiläums-Ausgabe Nr. 15 von filmPOLSKA hatte die „filmówka“ ein umfangreiches Programm vorbereitet, die zwölf begabtesten Studierenden wären nach Berlin gekommen …
Zum illustren Kreis der Absolvent(inn)en gehören bekannte Namen im polnischen Filmbusiness: Maciej Dejczer, Urszula Antoniak, Marcin Koszałka, Agnieszka Smoczyńska, Marcin Wrona, Bartek Konopka, Piotr Rosołowski, Magdalena Piekorz, Kuba Czekaj, Piotr Domalewski, Jan P. Matuszyński und viele andere. Sie alle erlernten ihr Handwerk an der Filmhochschule in Katowice, sie alle waren bereits bei filmPOLSKA zu Gast. Zu diesem Kreis gehört auch Bartek Konopka, der es mit seinem Dokumentarfilm „Mauerhase / Królik po berlińsku“ bis zu einer Oscar-Nominierung schaffte.
Seit Jahren bringt das kleine lokale Polywood aus Podlachien nicht nur filmische Leckerbissen aus dem Nordosten Polens nach Berlin, sondern auch Kostproben der einheimischen Küche. Der Programmkurator Maciej Rant schreibt heute an filmPOLSKA: „In Zeiten der Pandemie gibt es wichtige, unwichtige, wichtigere und allerwichtigste Dinge. Einige unserer Lebensräume kann man dicht machen, andere nicht. Mit diesen filmische Schritten kommt ihr während des Lockdowns besser mit euch selbst und mit anderen zurecht. Das Filmkollektiv aus Podlachien grüßt Berlin!
Maciej Rant – „Filmowe Podlasie Atakuje!“ grüßt Berlin (2020, OmdU, Auftragswerk für filmPOLSKA)
1 / Wir schlafen zu kurz und zu selten, dabei sollten wir auf gesunden Schlaf Acht geben. Klinkt euch aus, macht euch locker und lasst euch von Musik und Imaginationskraft entführen!
2 / #ZostanWDomu bzw #BleibZuHause, schau aus dem Fenster und stell dir vor, dass auch hinter deinem Hof ein Riesenaffe umgeht – oder dass alle Menschen Affen sind.
Marek Włodzimirow – Dziwadło / Weirdo (Dok, 2006, OmeU)
3 / In Lockdown-Zeiten kann man leicht verrückt werden, also wecke die „wilde Katze” in dir!
Hermanos de Chamuco – Herr Barbarisch. Story About Freedom (Dok, 2009, OmeU)
4 / Erinnerungen tun uns gut, deshalb rufen wir uns einige immer wieder ins Gedächtnis – wir schließen die Augen und denken an all das Gute, was wir erlebt haben. Erinnern wir uns an Orte, Menschen, Geschmäcker und Momente, zu denen wir gerne zurückkehren würden!
Sylwia Szkiłądź – La soupe aux fraises / Strawberry Soup (Anima, 2013, OmfrU)
5 / Die Erde holt Luft. Das Leben ist ein Prozess. Spüre die magische Kraft der Bäume!
Sebastian Łukaszuk & Ireneusz Prokopiuk – Życie drzewa / The Life of a Tree (Dok, 2018, OmeU)
6 / Rufe eine die nahestehende Person an und wünsche ihr Gesundheit! Frage sie, ob sie in dieser schwierigen Zeit etwas benötigt! Füge den Wünschen unbedingt ein Lied hinzu, denn Lieder sind für alles gut!
Radek Dąbrowski – Słuchaliście? / Have you listened? (Dok, 2014, OmeU)
7 / Heute spielen wir alle in einer Mannschaft, gemeinsam wir wollen eine Supertruppe sein. Dafür müssen wir kämpfen und hart arbeiten. Welches Ziel wir verfolgen? Das Virus zu besiegen!
Krzysztof Kiziewicz & Radovan Lee – Prima[co]l Lowlanders. The Urban Tribe (Dok, 2016, OmeU)
Nr. 6 / 15.05.2020 Krzysztof Zanussi
Nach den Dezember-Unruhen 1970 in Gdańsk musste die national-kommunistische Regierung unter Władysław Gomułka zurücktreten. Polen feierte den Aufbruch in eine neue, bessere Welt. Partei und Arbeiterschaft schienen wieder vereinigt. Ein Hauch westlichen Konsums durchwehte das Land: Auf den Straßen rollen neben Ladas und Trabants jetzt auch Fiats und Berliets. In den Kinos waren in sog. „Konfrontationsprogrammen“ US-amerikanische Filme zu sehen. Polen feierte – auf Pump – das neue Leben.
In dieser Zeit des Aufbruchs kamen Zanussis erste abendfüllende Spielfilme in die Kinos. Aber sie spiegelten nicht die Aufbruchstimmung der neuen Zeit wider. Zanussis Helden sind verunsichert, schon am Anfang ihres Weges. Sie trauen nicht dem gesellschaftlichen Status Quo, hinterfragen Gegebenheiten und Parolen. Zanussis Filme entfalten eine philosophische Welt. Die großen Fragen der Aufklärung und der Menschheit bestimmen ihre Erzählungen: Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was kann ich wissen? Und: Was ist der Mensch?
Doch bald war die Aufbruchsstimmung der frühen Siebzigerjahre vorbei. Mit der ersten Ölkrise schnellten die polnischen Staatsschulden in die Höhe und aus den Regalen verschwanden nicht nur die Luxusprodukte aus dem Westen, sondern auch Grundnahrungsmittel wie Fleisch, Brot und Zucker. Die Arbeiter streikten wieder und Bürgerrechtler organisierten sich im Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR). Mit zunehmender Brutalität gingen Miliz und Sicherheitskräfte gegen sie vor.
In dieser Zeit ereignete sich etwas Sonderbares. Die Filme von Krzysztof Kieślowski, Agnieszka Holland, Barbara Sass, Janusz Kijowski und Feliks Falk kamen in die Filmtheater und prägten maßgeblich das „Kino der moralischen Unruhe“. Dass diese Garde junger Filmemacherinnen und Filmemacher ohne Zanussis Wirken in Zeiten vorgetäuschter Prosperität genauso mutig vorgegangen wäre, ihre Ängste ähnlich furchtlos artikuliert und gegen Doppelmoral und Zynismus vorgegangen wäre, ist schwer vorstellbar. Krzysztof Zanussi, für den die Mitgestaltung der polnischen Gesellschaft stets mit der Aufforderung zu moralischem Handeln und geistiger Erneuerung verknüpft war, schloss sich und ihnen an und bereitete ihnen gleichzeitig den Weg.
Aber Krzysztof Zanussi ist nicht nur ein Grandseigneur der polnischen Kultur, sondern auch ein unermüdlicher Pädagoge des polnischen und europäischen Nachwuchskinos. Er unterrichtet an der Krzysztof-Kieślowski-Filmschule in Katowice, am Collegium Civitas in Warschau und an der Fakultät für Journalismus und Politikwissenschaft der Universität Warschau. Seit Jahrzehnten leitet er diverse internationale Workshops und Seminare mit den jungen Adepten der Filmkunst. Bei filmPOLSKA 2019 feierte er mit einer umfangreichen Retrospektive seinen 80. Geburtstag.
Krzysztof Zanussi über die Bedeutung von Filmfestivals für junge Regisseure (Auftragswerk für filmPOLSKA, 2020)
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