Leselust goes Europe
C the Unseen – Chemnitz 2025: Kulturhauptstadt Europas
Chemnitz ist Zentrum eines europäischen Grenzraums. Das Leben seiner Menschen wurde und wird geprägt durch Themen, die auch in anderen Ländern Mittel- und Osteuropas eine Rolle spielen. Dazu gehören die Erfahrungen im (Post-)Sozialismus, das Erlebnis von Krieg und Flucht, aber auch die Bergbaukultur. In ihr wurzelt eine seit zweihundert Jahren Menschen und Räume verbindende Erfindung: die Eisenbahn, deren Schienennetz die Städte in den heutigen Staaten Deutschland, Tschechien, Polen und Ukraine früher oft besser vernetzte als heute und die auch ein Thema der Reihe ist.
Deren Ziel ist die kulturelle, aber auch zwischenmenschliche Vernetzung. So begegnen sich in Doppellesungen Literaturschaffende aus Deutschland, Tschechien und Polen. Zudem werden Erlebnisse und schriftstellerische Verarbeitungen von Kriegsgeschehnissen in der Ukraine präsentiert, auch mit Blick auf die von dort stammenden neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Kulturhauptstadtregion.
Darüber hinaus wird die Chemnitzer Stadtgesellschaft durch die Präsentation der Ergebnisse der Schreibwerkstatt „Greif zur Feder, Chemnitz!“ und Kreativangebote für Schulen in der Reihe „Junge (W)Orte“ mit einbezogen.
Länderübergreifend wird eine Brücke in die ehemalige Europäische Kulturhauptstadt 2016 Wrocław in Polen und in die zukünftige Europäische Kulturhauptstadt 2028 České Budějovice 2028 in Tschechien geschlagen.
Programm (Auszug):
07.03. / 19:00 / Chemnitz / Weltecho / Annaberger Straße 24
Radio-Nacht
Jurij Andruchowytsch & Karbido
Ein dramatischer Autorenabend, der performative Lesung und elektroakustische Improvisationsmusik verbindet. Jurij Andruchowytsch und das multiinstrumentale Karbido-Trio jonglieren mit zeitgenössischer Ästhetik, Genre-Patterns und dem klangschöpferischen Gedächtnis der musikalischen Avantgarde und lassen damit ein musikalisch-literarisches Experiment entstehen. Der Theaterabend ist eine musikalische Interpretation von Texten aus dem Roman Radio Nacht, vom Autor performativ gelesen. Es geht um die Geschichte eines Regimegegners, der in einem Versteck (vielleicht im Gefängnis) ein eigenes Radioprogramm imitiert. Hintergrund der Handlung ist die Zeit der Pandemie, der Klimaproteste und der russischen Aggression – eine Zeit aufkeimender Hoffnungen auf radikalen Wandel.
Juri Andruchowytsch (UA), der Prosaiker, Lyriker, Essayist, Übersetzer und Performer ist eine der wichtigsten literarischen Stimmen seines Landes. Neben zahlreichen nationalen und internationalen Auszeichnungen erhielt er zuletzt den Heinrich-Heine-Preis (2022).
Karbido (PL) aus Breslau/Wrocław experimentiert seit 2003 an der Schnittstelle zwischen Literatur, Musik, Theater und Klangkunst. Die Band hat zehn Musikalben und fast dreißig Theaterund Filmmusik-Produktionen verwirklicht.
Eintritt: 8 Euro, Schülerinnen, Schüler und Studierende frei
08.03. / 15:00 / Chemnitz / TIETZ / Moritzstr. 20
Greif zur Feder, Chemnitz! #2
Unveröffentlichtes aus der Schreibwerkstatt der Chemnitzer Oper
Von April bis November 2024 trafen sich Schreibende aus Chemnitz und Umgebung, um biographische Erfahrungen, erlebte Geschichte und ihren persönlichen Blick auf die heutige Zeit literarisch zu verarbeiten. Die Workshopleitung lag bei Arna Aley, der ersten Literaturstipendiatin der Stadt Chemnitz. Im Oktober 2024 wurden in der Stadtbibliothek Chemnitz zum ersten Mal Texte aus der Schreibwerkstatt vorgestellt. Der Zuspruch seitens des Publikums war groß. Nun folgt die Fortsetzung mit weiteren Einblicken in die vielseitige literarische Arbeit der Teilnehmenden. Die Schreibwerkstatt ist Teil des Kulturhauptstadt-Projekts „Rummelplatz“ der Oper Chemnitz.
In Kooperation mit: Stadtbibliothek Chemnitz, Volkshochschule Chemnitz, Dom Literatury w Łodzi
Info: www.theater-chemnitz.de
Eintritt: frei
22.03. / 15:00 / Chemnitz / TIETZ / Moritzstr. 20
Literarisch Reisen
Moderation: Ariane Afsari
Kunsthistorikerin Roswitha Schieb sowie Historiker und Germanist Marcin Wiatr zeigen anhand ihrer Literarischen Reiseführer zum Böhmischen Bäderdreieck, Wrocław, Niederschlesien, Oberschlesien und Galizien, wie sich Städte und Regionen durch ihre jeweiligen, teils spezifischen, teils überlappenden Literaturlandschaften erschließen lassen. Aus Rezensionen zu ihren im Verlag des Deutschen Kulturforums östliches Europa erschienenen Büchern:
„Ein Reiseführer, dessen Lektüre fast die Reise selbst ersetzt.“ (Neue Zürcher Zeitung)
„Die geografische Auswahl ist durchdacht und auf Repräsentativität bedacht, die literarischen Bezüge werden viele überraschen, und Wiatrs aufklärerische und gleichzeitig mitreißende Erzählweise machen den Reiseführer zu einem Muss für jeden deutschen Oberschlesien-Besucher.“ (DIALOG. Deutsch-Polnisches Magazin)
„Literarischer Reiseführer ist wahrlich ein Understatement.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
„Das ist alles so einladend gestaltet, dass man große Lust verspürt, sich selbst eine Kur in Karlsbad oder Marienbad verschreiben zu lassen. Eine Reihe, die […] in jeglicher Hinsicht Maßstäbe für das Format Literarischer Reiseführer setzt.“ (Literaturblog Seitenauslinie)
Roswitha Schieb (D), Literatur- und Kunstwissenschaftlerin, veröffentlichte zahlreiche kulturhistorische Sachbücher mit Bezug zu Mitteleuropa u. a. bei DuMont, Berlin Verlag, Schöningh, Elsengold Verlag, BeBra Verlag und beim Deutschen Kulturforum östliches Europa, darunter drei Literarische Reiseführer zu polnischen und tschechischen Regionen.
Marcin Wiatr (PL/D), Historiker und Germanist, wiss. Mitarbeiter des Leibniz-Instituts für Bildungsmedien / Georg-Eckert-Institut, verantwortlich für das deutsch-polnische Schulbuch „Europa – Unsere Geschichte. Beschäftigung mit bildungspolitischen Prozessen und Minderheitenfragen in Grenzregionen Mittel- und Osteuropas“
Ariane Afsari (D), wiss. Mitarbeiterin im Deutschen Kulturforum östliches Europa (Verlag, Kulturelle Bildung), studierte Germanistik, Biologie und Osteuropastudien und war im Buchinformationszentrum Warschau sowie in Sachbuchverlagen tätig.
Eintritt: frei
25.03. / 18:00 Uhr / Chemnitz / Sächsisches Eisenbahnmuseum – Schauplatz Eisenbahn / Frankenberger Str. 172
Spurwechsel – 150 Jahre Literatur über Züge, Strecken und Bahnhöfe im östlichen Europa
Szenische Lesung mit der Publizistin Roswitha Schieb und dem Schauspieler Alexander Ganz-Kuhl
Moderation: Ariane Afsari
Die von Roswitha Schieb verfasste literarische Collage mit einer Einführung sowie historischen Einbettungen der ausgewählten Zitate spiegelt die Entwicklung der Eisenbahn wider: Züge wurden ab den 1830er Jahren europaweit zum allgemeinen Verkehrs- und Reisemittel. Die ersten Verbindungen revolutionierten nicht nur das Reisen, sondern die Schienen vernetzten einen ganzen Kontinent – politisch, kulturell und literarisch. Ein Teil der damaligen Zeitgenossen bejubelte Züge als technische Garanten für Völkerverständigung, Fortschritt und Frieden. Ein anderer Teil empfand das schnelle, glatte Dahingleiten als Verlust und trauerte den nun langsam verschwindenden Kutschen hinterher. Erfahrungen von Raum und Zeit wurden durch die Eisenbahn verändert, ja, nivelliert, Landschaft und Landschaftswahrnehmung wurden durch Tunnel, Schneisen, Einschnitte, Viadukte umgemodelt. Der Bahnhof ist dabei zu einem Symbol des 20. Jahrhunderts geworden, besonders auch im östlichen Europa.
Alexander Ganz-Kuhl (D), Schauspieler, auch im zirkuspädagogischen Bereich tätig, studierte von 2015 bis 2019 an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy und arbeitete anschließend im Schauspielstudio des Staatsschauspiels Dresden. Seit 2019 im Ensemble des Schauspiels Chemnitz.
Eintritt: frei
03.04. / 18:00 / Wrocław / OP ENHEIM / Plac Solny 4
Generation Amazon
Lesung und Gespräch mit Natalia Fiedorczuk und Heike Geißler
Moderation: Olga Gitkiewicz
Die Autorinnen Heike Geißler („Saisonarbeit“, 2016) und Natalia Fiedorczuk („Jak pokochać centra handlowe“, 2014, dt. Wie man Einkaufszentren liebgewinnt) thematisieren in ihren Büchern prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Während Natalia Fiedorczuk ein schnörkelloses literarisches Porträt von jungen weiblichen Angestellten, die aufgrund der Beschaffenheit ihrer Arbeitsverträge (poln. śmieciówki, „Müllverträge“) selbst in der Schwangerschaft keinerlei Anspruch auf eine finanzielle Absicherung haben, zeichnet, beschreibt Heike Geißler in ihrem fiktionalisierten Erfahrungsbericht die Arbeitsbedingungen in einem Logistikzentrum von Amazon in Leipzig, wo sie vorübergehend als Aushilfe tätig war. Die Autorinnen thematisieren in ihren Texten die Auswirkungen des Kapitalismus auf den Arbeitsmarkt und den Wandel in der Arbeitswelt. Gleichzeitig hinterfragen sie darin unser Konsumverhalten und die Erwartungen an ein Leben im Wohlstand.
Natalia Fiedorczuk (PL), Autorin, Publizistin, Singer-Songwriterin, Kulturanimateurin. Sie setzt sich für bürgerschaftliches Engagement in lokalen Gemeinschaften ein. 2016 Prosadebüt mit der Erzählung „Jak pokochać centra handlowe“.
Heike Geißler (D), Schriftstellerin, wuchs in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, auf. 2001 Alfred-Döblin-Förderpreis für den Roman „Rosa“, mehrere Stipendien und Nominierungen für den Ingeborg-Bachmann-Preis und -Wettbewerb. Im Frühjahr 2025 erscheinen ihre beiden Essays „Verzweiflungen“ und „Arbeiten“.
Olga Gitkiewicz (PL), Redakteurin, Reporterin, Kolumnistin. Am Institut für Soziologie der Universität Wrocław, wo sie promoviert, beschäftigt sie sich u. a. mit Fragen des Arbeitsmarkts und der Gleichberechtigung in Polen.
Eintritt: frei
- Natalia Fiedorczuk © Alicja Szulc
- Heike Geißler © Adrian Sauer
17.05. / 15:00 / Chemnitz / TIETZ / Moritzstr. 20
Greif zur Feder, Chemnitz! | Pisz Łódź!
Buchpremiere der Schreibwerkstatt der Oper Chemnitz
Nicht nur in Chemnitz, auch in der Partnerstadt Łódź hat die Schreibwerkstatt der Oper Chemnitz einen Standort. Den Schreibenden in Deutschland und Polen ist gemeinsam, dass sie aus dem Autobiographischen schöpfen. Die insgesamt 34 Teilnehmenden verarbeiten erlebte Geschichte, persönliche Erfahrungen und ihre jeweilige Sicht auf unsere Zeit. So werden Persönlichkeiten und Generationen durch die Literatur greifbar. Die Ergebnisse der Workshops, die im Lauf eines Jahres stattfanden, werden nun in Buchform der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Premiere der Publikation in polnischer und deutscher Sprache findet zeitgleich in Chemnitz und Łódź statt. Beide Gruppen sind über eine Konferenzschaltung miteinander verbunden. Schon seit Monaten stehen sie miteinander im Austausch über das Schreiben und das Leben am jeweiligen Heimatort der Teilnehmenden. Seit März 2025 stellen sie auf einer Lesereise durch Polen und Deutschland ihre Arbeit vor.
Die Schreibwerkstatt ist Teil des Kulturhauptstadt-Projekts „Rummelplatz“ der Oper Chemnitz.
In Kooperation mit: Stadtbibliothek Chemnitz, Volkshochschule Chemnitz, Dom Literatury w Łodzi
Weitere Infos: www.theater-chemnitz.de
Eintritt: frei
26.06. / 18:00 / Chemnitz / Sächsisches Eisenbahnmuseum – Schauplatz Eisenbahn / Frankenberger Str. 172
Nächster Halt: Europa
Lesung und Musikperformance mit Jaroslav Rudiš und Hans Narva
Es gibt sie noch, die Abenteurer des Schienenstranges! Einer davon ist Jaroslav Rudiš, der aus einer tschechischen Eisenbahnerfamilie stammt und zu seinen Auftritten als Autor und Musiker am liebsten mit dem Zug anreist. Mehr noch: Er hat diese entschleunigte und heute wieder sehr zeitgemäße Form der Fortbewegung zum Thema seiner Texte gemacht. In den Büchern Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen und Zug um Zug durch Europa stellt er nicht nur die besten Speisewagen vor, empfiehlt die schönsten Nachtzüge oder verrät, in welcher Bahnhofskneipe sich Wartezeiten gut überdauern lassen. Den studierten Historiker interessiert auch, was Strecken, Züge und Haltepunkte über unsere gemeinsame Geschichte und Gegenwart erzählen. Und auf seinen Reisen erfährt er immer wieder aufs Neue, wie das internationale Schienennetz Europa zusammenhält. Dass im Takt der Weichen viel Musik liegt und vielleicht sogar etwas Anarchie mitschwingt, beweist der Komponist, Sänger und MultiInstrumentalist Hans Narva. Stimmig eingebettet ins Ambiente des Eisenbahnmuseums, tritt seine Performance mit den Texten von Jaroslav Rudiš in einen abgefahrenen Dialog. Wer möchte da nicht einsteigen?
Jaroslav Rudiš (CZ/D), Schriftsteller, Dramatiker und Drehbuchautor, nimmt auf Tschechisch und Deutsch mitteleuropäische Identitäten in den Blick. Dafür erhielt er u.a. 2018 den Preis der Literaturhäuser, 2019 den Chamisso-Preis/Hellerau und 2022 den Karel-Čapek-Preis. Bekannt ist er auch als Gründer und Sänger der Kafka-Band.
Hans Narva (D), Musiker, Komponist und Sänger, prägte mit Herbst in Peking den Sound der Wende in der DDR und mischte danach mit den Inchtaboktables die Indie-Szene auf. Seit 2018 ist er mit Hands Up – Excitement! unterwegs.
Eintritt: 8 Euro, Schülerinnen, Schüler und Studierende frei, VVK an der Museumskasse
- Jaroslav Rudiš © Peter von Felbert
- Hans Narva © privat
Die Literaturtage LESELUST GOES EUROPE sind Teil des Programms von Chemnitz 2025 und ein Gemeinschaftsprojekt der Stadtbibliothek Chemnitz, des Deutschen Kulturforums östliches Europa e. V., Potsdam, des Tschechischen Zentrums Berlin und des Adalbert Stifter Verein e. V. – Kulturinstitut für die böhmischen Länder, München sowie von Partnerinstitutionen, gefördert von der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 gGmbH, dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und der Botschaft der Tschechischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland
Programmheft als ⇒ PDF
Info: leselust-chemnitz.de
Orte: versch. Orte in Chemnitz und Wrocław